Bis ans teure Ende

Kurz nach dem Regierungswechsel in Baden-Württemberg waren die Töne noch moderat. Theoretisch wären es 14 Personen, die die Landesregierung in den einstweiligen Ruhe- stand schicken konnte: den Staatssekretär im Staatsministerium, die neun Ministerialdirektoren (MD) und die vier Regierungspräsidenten. Damals sprach Ministerpräsident Kretschmann (Grüne) noch von Einzelfallentscheidungen. Und auch Nils Schmid (SPD) sprach davon, dass es „keine Liste“ gebe, wer seinen Posten behalten dürfe und wer nicht. Doch von diesen Ankündigungen ist nicht mehr viel übrig geblieben. Alle MD’s sind mittlerweile in den einstweiligen Ruhestand geschickt, und geht es nach Kretschmann sollen jetzt die vier Regierungspräsidenten folgen.

Dabei kostet den Landeshaushalt der vorzeitige Ruhestand der Amtschefs schon rund 700.000 Euro. Weitere Belastungen könnten durch die Regierungspräsidenten dazu kommen. Doch diese genießen vor Ort großes Vertrauen. Außerdem könnten Sie gegen die Entscheidung klagen und hätten dabei gute Chancen das Verfahren zu gewinnen.

Das Landesbeamtengesetz Baden-Württemberg ist in Paragraph 60 eindeutig: Politische Beamte können jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden, das Gesetzt nennt Ministerialdirektoren und Regierungspräsidenten.
Auf diese Stelle im Gesetz beruft sich auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann, wenn er die Behördenchefs in den Regierungspräsidien Karlsruhe, Stuttgart, Freiburg und Tübingen ablösen möchte.

Für die Grünen im Land ist das ganze ein „normaler und üblicher Vorgang“, so Thekla Walker, Landesvorsitzende der baden-württembergischen Grünen. Und ihr Kollege Chris Kühn ergänzt: „Das Amt des Regierungspräsidenten ist der Landesregierung unmittelbar unterstellt. Es muss hier also garantiert werden, dass Personen in diesem Amt die langfristigen politischen Ziele einer Landesregierung vertreten. Das sehe ich bei den derzeitigen Regierungspräsidenten nicht.“

Wie politisch sind Regierungspräsidenten

Doch genau das sei nicht der Fall, findet Hans Reibold, Vorsitzender des Verbands der Verwaltungsbeamten (VDV). Auf der Ebene der Regierungspräsidien seien die politischen Einflüsse sehr gering. „In den Regierungspräsidien geht es darum, die Ziele der Dienststellen sauber umzusetzen“, so Reibold.

Außerdem ist eine Ablösung der Regierungspräsidenten auch rechtlich nicht ohne weiteres möglich. So warnt der stellvertretende CDU-Landesvorsitzende Winfried Mack vor weiteren finanziellen Folgen. Der vorzeitige Austausch der Regierungspräsidenten wäre rechtswidrig, da die Landesregierung keinen objektiven Grund für eine Entlassung genannt habe. „Eine rechtswidrige Entlassung hätte zur Folge, dass die Regierungspräsidenten bis zum Ruhestandsalter Anspruch auf 100 Prozent ihres derzeitigen Gehalts hätten“, so Mack.

Rechtlich bedenklich findet das Vorhaben auch der Vorsitzende des Beamtenbundes Volker Stich. „Wenn sich die Betroffene sich zur Wehr setzen würden, dann hätten sie hohe Chancen“, findet Stich. Er kritisiert das Vorgehen des Ministerpräsidenten. Denn sollten jetzt auch noch alle vier Regierungspräidenten ausgetauscht werden, dann wäre Baden-Württemberg das erste Land, welches nach einem Regierungswechsel alle Politischen Beamten auf einen Schlag ausgetauscht, so Stich. „In anderen Ländern oder auf Bundesebene wurde es anders gehandhabt.“

Grüne schielen nur nach Posten

Diese Kritik teilt auch der Politikwissenschaftler Hans-Georg Wehling. „Es ist schon bemerkenswert: Die Grünen machen jetzt genau das, was sie den etablierten Parteien von Anbeginn an vorgeworfen haben, nämlich nur nach Posten zu schielen. Wenn die grün-rote Regierung Beamte in den Ruhestand schickt, denen man nichts vorwerfen kann, ist das ein Dammbruch“, so Wehling gegenüber den Stuttgarter Nachrichten.

Großer Bedarf an neuen Stellen

Schon in der Vergangenheit hat die neue Landesregierung gezeigt, wie groß ihr Bedarf an neuen Posten ist. 120 neue Stellen wurde geschaffen, die Kosten liegen nach groben Schätzungen bei 16 Millionen Euro im Jahr. Durch die Freistellung der Ministerialdirektoren ergeben sich weitere finanzielle Belastungen. Denn wird ein Ministerialdirektor in den einstweiligen Ruhestand versetzt, erhält er für den Monat, in dem er in den Ruhestand geschickt wurde und für die folgenden drei Monate seine Bezüge weiter. Danach erhält er für die Zeit, die er das Amt innehatte, mindestens für die Dauer von 6 Monaten, längstens für 2 Jahre, ein Ruhegehalt in Höhe von 71,75 % seiner ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge. Dieses Ruhegehalt beträgt zurzeit 6925,39 € monatlich zuzüglich kinderbezogener Leistungen beim Familienzuschlag. Im Anschluss daran erhält er sein aus dem Beamtenverhältnis erdientes Ruhegehalt, dessen Höhe richtet sich nach seiner individuellen Dienstzeit, so das Finanzministerium.

Der goldene Spazierstock

Nach Mitteilung des Landesamts für Besoldung und Versorgung erhalten derzeit acht ehemalige Ministerialdirektoren, die nach dem Regierungswechsel in 2011 in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurden, zusammen monatlich Versorgungsbezüge in Höhe von rund 57.000 Euro. Das sind im Jahr rund 700.000 Euro, eine Summe, die sich auch mit den Schätzungen des Beamtenbundes Baden-Württemberg deckt.

Für die Regierungspräsidenten sind die Regeln ähnlich wie bei den Ministerialdirektoren. Und für beide gilt: Auf die Versorgungsbezüge ist ein Erwerbseinkommen aus einer Beschäftigung sowohl innerhalb als auch außerhalb des öffentlichen Dienstes anzurechnen. Die derzeitigen Ausgaben sind also nur eine Momentaufnahme. Sollten die betroffenen Personen eine neue Stelle finden, würde dieses Geld angerechnet.

Was bleibt sind die Ansprüche auf ein entsprechendes Ruhegehalt im Alter. Bis zum teuren Ende. Im Beamtenjargon hat diese Regelungen einen Spitznamen: „Der goldene Spazierstock.“

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