Foto: Jonas Fischer.

Debatte um Beschneidung entzweit die Grünen

Es war einmal ein Urteil: Das Kölner Landgericht entschied im Sommer 2012, dass die Beschneidung von Jungen aus nicht-medizinischen Gründen strafbar ist. Seitdem schwelt die Debatte innerhalb der grünen Partei. Denn auf dem Spiel stehen zwei essentielle Grundpfeiler ihrer Politik: die Religionsfreiheit der Eltern und das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit.

Die Bundesdelegiertenkonferenz hat gezeigt, wie tief die Grünen in dieser Frage gespalten sind und wie schwer sie zu einer gemeinsamen Position finden. Gleich sechs Anträge befassten sich mit der Beschneidung an Jungen. Einer kam von Sergey Lagodinsky – der in der Debatte wohl engagierteste grüne Befürworter des Rituals. „Die Beschneidung ist zentral für die jüdische Identität. Sie ist ein Symbol des Überlebens der Gemeinschaft, diese Tradition wird über Generationen hinweg weitergeben“, erklärt der Rechtsanwalt, der Mitglied der Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin ist.

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Ein vehementer Kritiker der Beschneidung ist hingegen Rene Becker, Grünen-Mitglied aus Düren. Er respektiere zwar die Religionsfreiheit, aber Deutschland habe die UN-Kinderrechtskonvention unterschrieben. „Das Wohl des Kindes muss Vorrang vor dem Recht auf freie Religionsausübung haben“, sagt Becker. „Der Glaube hat sich ein Stück weit der Gesellschaft anzupassen. Wir haben andere Strukturen als noch vor tausend Jahren.“

Die Beschneidung wird im Judentum traditionell am achten Tag nach der Geburt vorgenommen, im Islam je nach Ausrichtung vom siebten Tag nach der Geburt an bis zum Ende des Grundschulalters. Dazwischen gibt es etliche Abweichungen, außerdem gibt es noch solche Eltern, die ihr Kind unabhängig von der Religion aus hygienischen oder medizinischen Gründen beschneiden lassen.

Die Kölner Richter haben entschieden, das Recht des Kindes auf Selbstbestimmung über das Recht der Eltern auf religiöse Kindererziehung zu stellen. Die Beschneidung stehe dem Wohl des Kindes entgegen und sei ein strafbarer Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Es folgte eine gesellschaftliche Debatte, die zeitweise absurde Züge annahm. Kinderrechtler und Anwälte applaudierten dem Gericht, Religionsgemeinschaften aus aller Welt äußerten sich entrüstet und Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrats der Juden, fragte: „Wollt ihr uns Juden noch?“

Um die erhitzten Gemüter zu beruhigen und rechtliche Klarheit zu schaffen, reagierte die Bundesregierung umgehend. Ein Gesetz­esentwurf erlaubt die Beschneidung, wenn sie medizinischen Standards entspricht und von den Eltern befürwortet wird. Und was sagen die Grünen dazu? Die Beschneidung an Jungen sei keine Frage, die per Mehrheitsbeschluss in Parteien entschieden werden sollte, sagte der Bundesvorsitzende Cem Özdemir der Nachrichtenagentur dapd. Die Grünen-Spitze hat offensichtlich keine Lust, das Thema mit der
Basis zu diskutieren. Laut Rene Becker ist dem Vorstand eine ausufernde Debatte auf der
Parteiversammlung unangenehm, so unmittelbar vor den Bundestagswahlen.

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