Nichts ist sicher

In Hamburg wird schon seit ein paar Monaten eine Haftanstalt umgebaut. In einem Teil der Justizanstalt stehen jetzt neue Möbel: Ein Bett, Sofa und Regale mit Jugendherbergscharme auf 16 Quadratmetern. Das alles für die Strafgefangenen? Nein, denn hier sollen demnächst keine Strafgefangenen, sondern Sicherungsverwahrte einziehen. Und diese sollen eben nicht  bestraft, sondern sicher untergebracht werden. Dazu gibt es eine Gemeinschaftsküche für Kochkurse und die Möglichkeit zum Waschen und Hofgang. Sicherungsverwahrte müssen besser untergebracht werden als Strafgefangene, so sieht es das Urteil vor.

Ein Versuch ist, die Ex-Sicherungsverwahrten als „psychisch gestörte“ Personen einzustufen und vorsorglich an einem sicheren Ort festzuhalten. Welcher Ort das sein könnte, das ist die Frage. „Für mögliche Unterbringungsfälle suchen wir nach einer bestmöglichen Lösung. Dabei setzen wir in erster Linie auf Kooperationen mit anderen Bundesländern, insbesondere mit Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen“, so Marion Deiß vom Sozialministerium in Baden-Württemberg. Es gebe jedoch aktuell keinen Handlungsbedarf.

Und auch in anderen Ländern will man „Vollzugsgemeinschaften“ gründe. Wie man die Sicherungsverwahrung in Mecklenburg-Vorpommern in Zukunft gestalten will steht noch nicht fest, angesichts der wenigen Fälle prüfe man aber Vollzugsgemeinschaft mit anderen Bundesländern, heißt es. In Mecklenburg-Vorpommern werden bis zum Jahr 2020 voraussichtlich etwa zwanzig Personen in der Sicherungsverwahrung untergebracht sein.

Der Baden-Württembergische Justizminister Ulrich Goll (FDP) sieht es ehr gelassen: „Die Entscheidung betrifft in Baden-Württemberg zum Glück einen überschaubaren Personenkreis von drei Personen, die sich zur Zeit in nachträglicher Sicherungsverwahrung befinden. Für künftige Fälle ist das Problem durch die am 1. Januar 2011 in Kraft getretene Reform der Sicherungsverwahrung entschärft, mit der der Bundesgesetzgeber die nachträgliche Sicherungsverwahrung durch die sogenannte vorbehaltene Sicherungsverwahrung ersetzt hat.“

Etwas anders ist die Situation in Nordrhein-Westfalen. Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) sieht durch das Urteil die nachträgliche Sicherungsverwahrung als Ganzes infrage gestellt. In der Praxis betreffe das Urteil in NRW zwei der 133 Sicherungsverwahrten. Weit größere Wirkung habe die nachträgliche Entfristung der Sicherungsverwahrung, die früher auf zehn Jahre begrenzt war. Von den 133 Sicherungsverwahrten müssen bis zum Jahr 2019 möglicherweise 51 als Folge der Straßburger Entscheidungen aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden. Von den bisher aufgrund der neuen Rechtsprechung freigelassenen 16 Straftätern gelten sechs weiterhin als gefährlich. Diese sollen nach dem Therapie-Unterbringungsgesetzes in eine neue Einrichtung eingewiesen werden. Mit der als Übergangslösung vorgesehenen Therapieeinrichtung für psychisch gestörte gefährliche Straftäter in Oberhausen „betritt  Nordrhein-Westfalen, wie alle anderen Bundesländer auch, Neuland“, sagt der Minister.

Als Alternative käme die Bewachung durch die Polizei in Frage. Dies sei aber keine gute Lösung, wenn man 25 Polizisten benötige, um eine Person rund um die Uhr zu überwachen. „Das bietet zudem auch nicht den völligen Schutz. Deshalb ist die Unterbringung mit Therapie die sinnvollere Variante“, findet Kutschaty.

Und auch aus bayrischer Sicht war es besonders wichtig, dass für psychisch gestörte Sicherungsverwahrte eine Regelung für eine Therapieunterbringung getroffen wurde. Sie müssen deshalb, solange sie wegen der Störung weiterhin gefährlich sind, auch künftig nicht entlassen werden, sondern bleiben in einer psychiatrischen Einrichtung sicher verwahrt.

Man wolle abwarten, wie die deutschen Gerichte mit den Argumenten des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte umgehen werden. Besonders wichtig, so ein Ministeriumssprecher, werde dabei die anstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sein. Und auch im Saarland schaut man auf das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe: „Wir gehen davon aus, dass dieses endlich für Rechtssicherheit sorgen wird“, sagt Sprecher Thomas Diehl.

Der Europäische Gerichtshof hat in der vergangenen Woche in vier Fällen die Sicherungsverwahrung in Deutschland gerügt. Die Maßnahme sei ein Verstoß gegen das Recht auf Freiheit und Sicherheit der Menschenrechtskonvention, urteilten die Richter und gaben vier Straftätern recht. Diese mussten nachdem sie ihre Strafe abgesessen hatten in Sicherungsverwahrung blieben weil sie als gefährlich gelten. Als Hauptgrund führten die Richter in Ihrer Entscheidung an, dass diese nachträgliche Sicherungsverwahrung nicht bereits im Urteil, sondern erst am Ende der Haftzeit angeordnet wurde.

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