Gregor Gysi und Jan Fleischhauer.
Gregor Gysi und Jan Fleischhauer.

Protest !

„Das Problem unserer Gesellschaft ist, das so vielen Menschen ohnmächtig sind“, findet der Linken-Politiker Gregor Gysi. Denn dies lähme sie auch bei Protesten. Bei einer Diskussionsveranstaltung an der Universität Tübingen rief er den Studierenden zu: „Ihr seid nicht rebellisch genug.“ Und diese jubelten begeistert.

Gregor Gysi und Jan Fleischhauer.
Gregor Gysi und Jan Fleischhauer haben sich wenig zu sagen.

Gefragt nach einer Form konservativen Protestes antwortete der Spiegel-Autor Jan Fleischhauer: „Der Kauf des ersten Buches von Thilo Sarrazin ist konservativer Protest gewesen.“ Die sei eine Demonstration gewesen, mit welcher der Notar aus Traunstein seine Meinung habe ausdrücken wollen. „Der Kauf eines Buches ist nicht ein Protest, den können sie nicht auf eine Ebene stellen, mit Leuten, die auf die Straßen gehen“, meint dagegen die Protestforscherin Jasmina Gherairi. Der Protest sei nie etwas spontanes, sondern gut geplant und inszeniert, so die Wissenschaftlerin.

Doch dies treibe zuweilen seltsame Blüten, wie Gregor Gysi es bei den Kundgebungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes beobachtet. Dieser beschließe im Oktober, wenn im März eine Protestkundgebung stattfinden soll.

Man brauche Busse, Rednerlisten, Getränkestände, Trillerpfeifen und man lasse 16-jährige Mädchen tanzen. „Dann wundern die sich, dass das Merkel nicht beeindruckt“, so Gysi spöttisch.

„Es geht an Politikern nicht spurlos vorbei, wenn die Menschen auf die Straßen gehen“, denkt Fleischhauer. Diese habe man bei den Protesten gegen Acta sehen können. Dort habe es , angesichts der Zahl der Protestanten, einen bemerkenswerten Erfolg gegeben. Aber: „Mit drei Zelten in Frankfurt werden sie die Deutschen Banken nicht in die Knie zwingen.“Für den Journalisten Fleischhauer ist die erfolgreichste Protestbewegung die Anti-Atombewegung. „Die Grünen kannten sich aus und konnten mit den Vertretern der Kernkraftwerke auf Augenhöhe diskutieren.“ Dies fehle bei den Vertretern der antikapitalistischen Front. Gysi hält dies für falsch. Man müsse der Lidl-Kassiererin die Welt übersetzen, damit sie eine Wissensgrundlage habe. „Ich versuche immer zu übersetzen.“ Aber zu oft würde so geredet, dass dies niemand verstehe. Gleichzeitig kündigte Gysi, auch mit Blick auf die Piraten an, die „Computersprache“ lernen zu wollen. Für den Bundestagsabgeordneten der Linken sind die Piraten ein Ausdruck davon, dass sich die Mehrheit der Menschen nicht vom Bundestag repräsentiert fühlte.

Wagenknechts Intellekt

Doch warum schaffen es die Linken nicht, den Anschluss an die aktuellen Protestbewegungen zu finden? „Von einem Großteil dieser Bewegungen wird die Linke als etabliert wahrgenommen“, so Jan Fleischhauer. Und sie verfüge auch über die intellektuelle Kapazität. Dabei würden sich alle großen Protestbewegungen als  links verstehen.

„Protest entsteht auf vielen Wegen, aber man könne ihn niemals beschließen“, hat Gysi schon selbst erfahren. Das sei der Denkfehler der Linken. Als man zu Protesten gegen Mieterhöhungen aufgerufen habe, stand er mit 200 Rentnern am Alex, so seine Erfahrung. Und doch: „Guter Protest ist gut vorbereitet und inszeniert“, so der Rhetoriker Olaf Kramer von der Uni Tübingen.

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