Schulz gegen Junker. Illustration: Jamie Niederer.

Warum es beim Brexit nur Verlierer gibt.

Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union ist eine historische Zäsur und ein großer Verlust für alle Beteiligten: Die Briten verlieren an Gewicht auf der weltpolitischen Bühne und zugleich ihren Zugang zum weltweit größten Binnenmarkt. Auf der anderen Seite muss die Europäische Union den Verlust ihres wichtigsten Finanzplatzes und damit ihres Tors zum Commonwealth sowie in die USA hinnehmen.

„Viele der wirtschaftlichen und politischen Konsequenzen des Austritts Großbritanniens aus der EU hängen von den dabei auszuhandelnden Modalitäten ab“, so die Freiburger Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Diana Panke. Sie beschäftigt sich mit Institutionen wie der EU und den Vereinten Nationen.

Mögliche Brexit-Szenarien

Es seien zwei Szenarien denkbar, in denen sich jeweils für die anderen 27 EU-Mitgliedstaaten wirtschaftlich weniger ändern würde als für Großbritannien selbst: „Sollte Großbritannien weiterhin Zugang zum Binnenmarkt haben, muss das Land dafür die Mehrheit der EU-Binnenmarktregeln anerkennen und einhalten – ohne diese dann noch mitbestimmen zu können – und auch entsprechende Zugangsgebühren bezahlen“, so Panke. Damit könnte Großbritannien wirtschaftliche Einbußen reduzieren, hätte aber politische Handlungsbeschränkungen. Sollte Großbritannien sich hingegen ganz von der EU lösen, würde es ein Drittstaat werden, der dementsprechend Zölle bezahlen muss, um im Binnenmarkt der EU Waren und Dienstleistungen anzubieten. „Dies verteuert die Produkte und führt mit großer Wahrscheinlichkeit zu erheblichen Einbußen im Handelsvolumen Großbritanniens mit der EU, dämpft die britische Wirtschaft und macht Großbritannien sehr viel weniger attraktiv für ausländische Investitionen.“

Momentan verlieren nationalstaatliche Grenzen ökonomisch an Bedeutung und Wertschöpfungsketten vernetzen sich global. Der Austritt aus der Europäischen Union ist somit ein Auflehnen der Briten gegen die Megatrends Globalisierung und Digitalisierung. Andererseits schwächt der Verlust wirtschaftlicher und politischer Diversität durch den Austritt Großbritanniens die Europäische Union in ihrem Ziel, die sich digitalisierende Weltwirtschaft mitzuprägen.

Rosinenpicken vermeiden

Mit der Rückkehr zur isolierten nationalstaatlichen Koexistenz verspielen die Länder nicht nur das politische Kapital Europas, sondern auch grundlegende wirtschaftliche Potenziale für die Zukunft. Es liegt nun an den EU-Vertretern sicherzustellen, dass der Brexit kein Präzedenzfall für andere EU-Staaten wird. Sprich: Die Zeit des Rosinenpickens für alle Nörgler und Abweichler ist vorbei, jetzt muss die EU harte Kante zeigen. Für die zukünftige institutionelle Ausgestaltung der EU ist spätestens jetzt aber auch klar: Eine „ever-closer-union“ ist kein Weg, den alle mitgehen. Wichtig ist vor allem, dass die Politiker in den Mitgliedsstaaten aufhören, die EU für ihre eigenen Fehler verantwortlich zu machen. Europas Glaubwürdigkeit steht und fällt mit dem jeweiligen Rückhalt vor Ort.

Darüber hinaus könne der Austritt eines EU-Mitglieds politische Turbulenzen in den anderen EU-Mitgliedsländern nach sich ziehen, sagt Professorin Panke: „Er kann beispielsweise Populistinnen und Populisten und Anti-EU-Parteien zu Aufwind verhelfen und so die Frage lauter werden lassen, ob man die Integration weiter vertiefen sollte und ob weitere Länder der EU beitreten sollten.“

Doch selbst wenn der Brexit die Staatengemeinschaft hart trifft, werden die akuten wirtschaftlichen Folgen überschaubar sein: Es ist nicht mit einem erneuten Losbrechen der Eurokrise zu rechnen. Die Reformen der Krisenstaaten sind weit genug fortgeschritten, das Finanzsystem hat Risikopuffer aufgebaut und der Austritt kommt letztlich ohne Überraschungsmoment daher. Eine Aufwertung des Euro gegenüber dem britischen Pfund verschlechtert zwar die europäische Wettbewerbsfähigkeit. Das geschieht allerdings in einem Maße, das die Wirtschaft kompensieren kann.

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