Keine einheitliche Vollzugspraxis in Sicht

Der Bund der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands (BSBD) appelliert an alle Bundesländer, zumindest in den wesentlichen Gesetzesinhalten gemeinsame Normen zu finden und festzulegen und nötigenfalls die bereits bestehenden Gesetze anzupassen, um eine weitgehend einheitliche Vollzugspraxis zu gewährleisten. 

Wie sollen Menschen, die gegen gesellschaftliche Normen und Regeln verstoßen haben, ihr Verhalten umstellen und sich künftig an neuen gesellschaftlich akzeptierten Werten orientieren, wenn der Strafvollzug selbst von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt ist und unterschiedlich praktiziert wird? In dem einen Land werden Hafterleichterungen und Vollzugslockerungen bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe nach 5 Jahren und in anderen Ländern erst nach 8 oder 12 Jahren gewährt. Wobei lebenslang auch nicht lebenslang bedeutet. Wie sollen labilen Menschen Normen und Werte als verbindlich vermittelt werden, wenn gleiche Sachverhalte gesetzlich unterschiedlich geregelt werden? Was empfinden und fühlen die Angehörigen eines Mordopfers, wenn sie dem Mörder schon nach fünf Jahren wieder auf der Straße begegnen? Vergessen wird offenbar, dass der Strafvollzug neben der Sozialisierung bzw. Resozialisierung auch der sicheren Unterbringung und der Sühne dient. Der Datenschutz und die Zulässigkeit erkennungsdienstlicher Maßnahmen sind für diese missliche Entwicklung exemplarische Beispiele.

Die Bediensteten beklagen zunehmend die mangelnde Akzeptanz der Öffentlichkeit für das Geschehen hinter den Mauern der Vollzugseinrichtungen und die überbordende Sensationsgier der Medien bei außerordentlichen Sicherheitsstörungen. Wenn dann noch die Tagespolitik in das alltägliche Vollzugsgeschehen hineinwirkt, ist die Verunsicherung perfekt. Strafvollzug ist ein auf Kontinuität angelegter Prozess, der nachhaltig Schaden nimmt, wenn er als Spielball politischer Auseinandersetzungen missbraucht wird. Diese absolut schädliche, kontraproduktive Entwicklung, die sich zunehmend abzuzeichnen beginnt, schreit förmlich nach einheitlichen, akzeptierten und belastbaren gesetzlichen Regelungen für den Strafvollzug, die nicht bei jeder Sicherheitsstörung durch die Politik zur Disposition gestellt werden.

Die beteiligten Länder sollten es sich zur Aufgabe machen, den jetzt vorliegenden Entwurf in wesentlichen Bereichen qualitativ zu verbessern. Opferschutz und Wiedergutmachung der Tatfolgen sind solche Bereiche, aber auch die finanzielle Vorsorge für die Entlassung und die Einbindung der Gefangenen in das allgemeine Gefüge der Sozialversicherung, insbesondere der Arbeitslosenversicherung zählen hierzu. Unausgewogen ist der Gesetzentwurf auch insoweit, dass er eine Auseinandersetzung mit der Tat nicht vorsieht. Dies ist allein deshalb problematisch, weil die Öffentlichkeit in diesem Punkte andere Erwartungen, wie etwa eine sichere Verwahrung, Sühne und Sozialisierung an den Strafvollzug hat. Insoweit muss der Strafvollzug das eine tun, ohne das andere zu lassen. Die Wiedereingliederung von Rechtsbrechern in das gesellschaftliche Leben kann nur dann erfolgreich sein, wenn die vollzuglichen Einzel- und Behandlungsmaßnahmen von der Gesellschaft akzeptiert und mitgetragen werden. Deshalb ist es so wichtig, dass sich die Gesellschaft als Ganzes auf ein einheitliches, verbindliches Regelsystem verständigt. Andernfalls leidet das Vertrauen an der öffentlichen Verwaltung wie auch an der politischen Lenkungsfähigkeit.

Wie kann der Strafvollzug aber auf Akzeptanz hoffen, wenn sich Tag für Tag ca. 700 000 Arbeiter krumm machen müssen, um die Lohnsteuer für die Kosten des Vollzuges aufzubringen, die Gefangenen hingegen nicht zur Arbeit verpflichtet werden können.

 

Eine als selbstverständlich angesehene Wiedergutmachung wird damit zwangsläufig einer unerträglichen Beliebigkeit anheim gestellt. Das Verständnis der Öffentlichkeit wird sich in Grenzen halten.

Wie sollen die Gefangenen eigentlich fitgemacht werden für den ersten Arbeitsmarkt, wenn nur Einsicht und Mitarbeitsbereitschaft zur Verfügung stehen, um Verhaltensänderungen einzuleiten? Dies ist deutlich zu wenig. Die Gefangenen müssen in die Pflicht genommen werden, um sich für die Wiederaufnahme in die Gesellschaft zu qualifizieren. Ohne verpflichtende eigene Anstrengungen der Betroffenen wird dieser Prozess nicht zu realisieren sein.

Ein ehemaliger Strafgefangener argumentierte in einem Schreiben an den BSBD-Bundesvorsitzenden, der u. a. mit dem Kostenargument um Verständnis warb, dass z. B. etwa 10 Arbeiter Lohnsteuern bezahlen müssen, um die Haftkosten eines Gefangenen abzudecken, argumentierte wie folgt: „Wir leben nun mal in einem Sozialstaat und dass die Steuerzahler dies zahlen müssen, das gehört einfach dazu!“

Hochgerechnet auf ganz Deutschland belaufen sich die Einnahmen aus der Gefangenenarbeit auf rund 300 Mio. Euro jährlich. Auf diese Einnahmen zu verzichten, würde nicht nur zu Einnahmeausfällen führen, sondern zu weiteren Ausgaben. In diesem Fall müssten externe Handwerker, die aus Sicherheitsgründen mit zusätzlichem Personal beaufsichtigt werden müssten, notwendige Reparaturarbeiten durchführen. Die Höhe dieser absehbaren Mehrkosten lässt sich gar nicht verlässlich ermitteln. Die Verantwortlichen der Politik sollten von diesem Vorhaben aus Gründen der vollzuglichen Effizienz, aber auch aus Gründen gesellschaftlicher Solidarität ablassen. Eine solche Regelung brächte den Strafvollzug in Misskredit und würde die Bemühungen der Wiedereingliederung von Rechtsbrechern nachhaltig schädigen.

Der BSBD fordert nicht nur, die Arbeitspflicht beizubehalten, sondern er erwartet auch, dass auch jene Bundesländer, die bislang der beruflichen Qualifizierung und der Arbeit der Gefangenen nur geringe Bedeutung beimessen, das Arbeitswesen sukzessive auszubauen, damit es zu einem realistischen Übungsfeld für die Rückkehr in den ersten Arbeitsmarkt werden kann. Ein guter und funktionierender Werkdienst sorgt für wirtschaftlich ergiebige Arbeit und realisiert damit neben notwendigen Therapiemaßnahmen die wichtigste Wiedereingliederungsvoraussetzung.

Für den BSBD ist es unverständig, weshalb ohne Not bewährte und eingeführte Terminologien aufgegeben werden sollen. So wird der Begriff Urlaub vermieden. Jeder Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf gesetzlich festgeschriebenen Urlaub. Kinder haben Schulferien, woraus sich für die Eltern in der Regel ableitet, Urlaub nehmen zu müssen, soll diese Zeit gemeinsam genutzt werden. Der Urlaub ist mit Arbeitstagen unterlegt und planbar. Bislang gab es nicht nur für den Vollzug, sondern auch für die Gefangenen die Sicherheit des Planungsrahmens durch die Vorgabe von zu gewährenden Urlaubstagen. Zukünftig, folgt man  dem Gesetzesentwurf, würde die Unklarheit speziell auf Seiten der Gefangenen ergeben. Der Urlaub im Vollzug muss die Lebenswirklichkeit in Freiheit widerspiegeln!

Wir vermissen die Nennung der einzelnen Berufs- und Fachgruppen, wie das bisher der Fall war und vor allem, dass diese so weit als möglich durch hauptamtliche Beamte zu besetzen sind. Offenbar zielt die konkrete Nichtnennung auf verstärkt nebenamtliche und privatwirtschaftliche Erledigung vollzuglicher Aufgaben ab. Dies ist eine zutiefst kritikwürdige Haltung, die gerade im Strafvollzug absolut unverständlich ist. Hier tritt der Saat dem Bürger mit absoluter Machtfülle gegenüber, so dass speziell diese Aufgaben hoheitlicher Natur und einer Privatisierung nicht zugänglich sind.

Der BSBD protestiert gegen den völligen Wegfall des früheren § 155 StVollzG.

Die bewährte Bestimmung des § 155 StVollzG regelt den Begriff der Vollzugsbediensteten im Hinblick darauf, dass der Justizvollzug hoheitliche Aufgaben erfüllt. Sie konkretisiert damit das verfassungsrechtliche Gebot des Art. 33 Abs. 4 GG, wonach die Ausübung hoheitlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Beamten zu übertragen ist.

Wir erwarten, dass klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wird, dass Aufgaben des Vollzuges nur aus besonderen Gründen auf nichtbeamtete sowie vertraglich verpflichtete Personen übertragen werden dürfen. Solche Gründe sind anzunehmen, wenn die Anstalt aus Gründen der Behandlung auf die Mitarbeit von besonderen Fachkräften außerhalb des Vollzugs angewiesen ist.

Offenbar wird übersehen, dass Presse und Öffentlichkeit inzwischen eine sehr restriktive Haltung zu jeder Form von Privatisierung einnimmt. Dies gilt besonders, wenn es um einen der schwersten Eingriffe in Grundrechte von Menschen geht.

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