Schaue man auf das Verhältnis von Politik und Medien habe Berlin alles schlimmer gemacht. Früher, so der langjährige Journalist Klaus-Peter Schmidt-Deguelle, gab es noch einen gleichen Rang zwischen Städten wie München, Frankfurt, Köln und Hamburg. Heute konzentriere sich alles auf Berlin. „Selbst unwichtige Pressekonferenzen werden live übertragen“, kritisiert Schmidt-Deguelle. „In Bonn diskutierten die Journalisten, das war der Vorfilter. Dieser Vorfilter ist weggefallen.“
Bei den Nachrichtenfaktoren zähle nicht mehr der Inhalt, sondern Exklusivität und Schnelligkeit bestimmen den Wert. Besonders aufgefallen ist ihm diese Entwicklung als die Regierung nach Berlin umgezogen war. Dort entdeckten damals die vielen Radiosender die Politikberichterstattung. „ Ich habe es mehr als einmal erlebt, das ein Mikrofon hingehalten und alles, was der Minister sagte, aufgenommen wurde. Und am Ende fragte dann der Journalist: Können sie mir noch mal sagen wie sie heißen und welcher Minister sie sind.“
Auch wenn sich Klaus-Peter Schmidt-Deguelle heute noch als Journalist fühlt, er ist PR-Berater. Und als PR-Berater sagt er: „Es ist Steuer- und planbar, was in den Medien erscheint.“ Und er weiß: „Politik, die keine mediale Vermarktung findet, ist, außer auf der untersten lokalen Ebene, fas wirkungslos.“
Als Berater des Finanzministers Hans Eichel war es seine Aufgabe, einen Minister, der durch Zufall ins Amt gekommen war, so zu positionieren, dass er ernst genommen wurde. „Das ganze Team hat versucht, aus der Negativkonnutierung, das Positive herauszuarbeiten. Dies führte dazu, das wir Dinge zugelassen haben, die eigentlich zur Privatsphäre gehören“, so seine Erinnerungen
Konkret wurde dies damals in Reportagen der Zeitschrift Gala, in der Hans Eichel seine Schuhe präsentierte. „Er hatte nur vier Paar“, so sein Berater. Und das sein Berliner Einzimmerapartment, mit Ikea-Möbeln in die Presse kam, ist ihm ebenfalls zu verdanken. So wurde nach dem Motto „Statt eines neues Sakkos mal eine neue Krawatte“ aus Hans Eichel der Spar-Minister. Die Folge waren steigende Beliebtheitswerte – sehr zum missfallen anderer Regierungsmitglieder. Vor der Bundestagswahl 2002 seien deshalb, so Schmidt-Deguelle, einige Wahnschüsse aus dem Kanzleramt abgegeben worden.
Doch für die Inszenierung von Politikern gibt es auch Grenzen, findet der PR-Berater. „Diese bewusst inszenierte Leichtigkeit kann sich ein Schauspieler leisten, aber kein Bundesminister“, sagt er mit Blick auf die Fotos des damaligen Wirtschaftsministers vom Time Square in New York. Diese eitle Selbstdarstellung, aber auch das Saubermann Image haben den Jagdinstinkt vieler Journalisten entfacht und den Trend zur öffentlichen Überprüfung von Doktorarbeiten. Wie Guttenberg in der Krise hätte reagieren können? „Es war der ewige Fehler, Vorwürfe, die erhoben werden, nur scheibchenweise zuzugeben.“ Blickt er auf die aktuelle Entwicklung in der Politik fällt das Fazit von Klaus-Peter Schmidt-Deguelle nüchtern aus: „Immer mehr Politikverdrossenheit und schlechtere Kandidaten.“