Die Forderung nach einer kompletten Offenlegung aller wirtschaftlichen Umstände verkennt indes das Ziel von Transparenz und die Bedeutung des freien Mandats in unserer parlamentarischen Demokratie.
Eine komplette Offenlegung ist eine populäre Forderung, schafft aber keineswegs mehr Transparenz als das bereits bestehende Stufensystem. Nach dem 2007 eingeführten Stufensystem müssen Abgeordnete in drei Stufen von 1.000, 3.500 und 7.000 Euro dem Parlamentspräsidenten ihre Einkünfte pauschaliert und nach Herkunft anzeigen. Wie wirksam bereits diese Regelung ist, hat die Diskussion um die Nebeneinkünfte von SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück gezeigt. Innerhalb kürzester Zeit hatte das Portal abgeordnetenwatch.de ein Ranking der zehn Abgeordneten mit den höchsten Nebeneinkünften erstellt und die öffentliche Debatte weiter vorangetrieben. Das Stufensystem wird die schwarz-gelbe Koalition nun erweitern. In Zukunft sollen Nebeneinkünfte von Abgeordneten in zehn Stufen – ab 1.000 bis über 250.000 Euro – offengelegt werden müssen.
Wir brauchen keinen gläsernen Abgeordneten, keinen Politiker, der bis ins letzte Detail über seine wirtschaftlichen Verhältnisse Auskunft geben muss. Das widerspricht der Idee unseres Grundgesetzes von einem freien Mandatsträger, der sein politisches Amt schöpferisch, selbstgestaltend und einzig seinem Gewissen verpflichtet ausübt. Denn auch wenn der Abgeordnete gesetzlich angehalten ist, das Mandat in den Mittelpunkt seiner Tätigkeit zu stellen: Der Abgeordnete handelt – anders als der Beamte – nicht nach öffentlichem Dienstrecht und ist eben unabhängig. Und auch er hat Bürgerrechte und ein schützenswertes Lebens- sowie Arbeitsumfeld. Letzteres muss er als Selbstständiger ganz besonders pflegen. Denn in dieses Umfeld muss er nach dem Mandat auf Zeit zurückkommen können.
In diesem Spannungsverhältnis von notwendiger und effektiver demokratischer Kontrolle und dem freien Mandat haben wir mit dem zehnstufigen System eine kluge und praktikable Lösung gefunden. Die völlige wirtschaftliche und finanzielle Transparenz fördert hingegen gerade nicht Kontrolle und Demokratie. Sie steht für Transparenz – als Reflex auf die öffentliche Debatte – einzig um ihrer selbst Willen.