Was das Urheberrecht mit Informationsfreiheit zu tun hat

Das Bundesministerium des Innern (BMI) hat das Informationsfreiheitsportal FragDenStaat.de der gemeinnützigen Open Knowledge Foundation Deutschland e.V. wegen der Veröffentlichung einer Stellungnahme abgemahnt, die zuvor vom BMI nach dem Informationsfreiheitsgesetz herausgegeben wurde. Mit diesem Schritt versucht die Bundesregierung das Urheberrecht zu nutzen, um die Berichterstattung über ein brisantes Dokument einzuschränken.

In der fraglichen Stellungnahme raten die Hausjuristen des Innenministeriums bei der Änderung des Europawahlgesetzes von einer Prozenthürde ab, da diese nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November 2011 verfassungswidrig sei. Entgegen dieser Stellungnahme beschloss der Bundestag im Juni 2013 eine 3%-Hürde für die Europawahl, die im Mai 2014 stattfindet. Die Veröffentlichung dieses Widerspruchs zwischen interner Rechtsauffassung und politischem Handeln möchte das Innenministerium nicht veröffentlicht sehen.

Stefan Wehrmeyer, Projektleiter von FragDenStaat.de, betont: „Der Bundesregierung geht es nicht um Autorenrechte. Sie nutzt das Urheberrecht willkürlich, um die Veröffentlichung von brisanten, staatlichen Dokumenten zu verhindern. Es entsteht der Eindruck, dass die Bundesregierung die Nachvollziehbarkeit politischen Handelns erschweren will.”

Ansgar Koreng von der Anwaltskanzlei JBB Anwälte, die FragDenStaat.de in dem Fall vertritt, sagte dazu: „Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat erst kürzlich klargestellt, dass in Fällen wie diesem die Meinungsfreiheit schwerer wiegen kann, als das Urheberrecht. In dieser Abmahnung tritt der Konflikt zwischen Meinungsfreiheit und Urheberrecht außergewöhnlich klar zu Tage. Gerade in politischen Angelegenheiten darf das Urheberrecht nicht zur Zensur missliebiger Veröffentlichungen missbraucht werden.“

Das Urheberrecht darf als einfaches Mittel gegen unbequeme Veröffentlichungen von staatlichen Dokumenten keinen Bestand haben, sonst wird journalistische Arbeit und gesellschaftliche Debatten auf Grundlage von Quellmaterial stark erschwert. Ein abgezeichneter Beschluss, der uns vorliegt, zeigt außerdem, dass weitere Veröffentlichungen der Stellungnahme anderswo im Internet auch kostenpflichtig abgemahnt werden sollen.

Zum Hintergrund

Am 16.11.2011 verfassten zwei Mitarbeiter im BMI eine Stellungnahme zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die 5%-Hürde bei der Europawahl als verfassungswidrig erklärte. Die BMI-Stellungnahme argumentierte, dass nach dem Urteil auch jede andere Prozent-Hürde nicht verfassungskonform sei und somit ganz abgeschafft werden müsste. Entgegen der BMI-internen Einschätzung beschloss der Bundestag letztes Jahr eine 3%-Hürde für die Europawahl.

Die BMI-Stellungnahme wurde von Guido Strack, Gründer des Whistleblower-Netzwerks, mittels des Informationsfreiheitsgesetzes über FragDenStaat.de angefragt. Die Stellungnahme wurde zwar herausgegeben, allerdings mit der Aufforderung die Veröffentlichung zu unterlassen. Um das Recht auf Informationsfreiheit zu stärken und ein Zeichen gegen willkürliche Beschränkungen zu setzen, veröffentlichte FragDenStaat.de das Dokument Ende Dezember. Die Abmahnung des BMI traf am 17.01.2014 per Fax ein mit einer Frist bis zum 21.01.2014.

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