Das liebe Geld. Foto: Christian Wolf, www.jugendfotos.de
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1.000 Euro ohne Gegenleistung – wie realistisch ist das bedingungslose Grundeinkommen?

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Diana Huber ist Mitglied im Vorstand der Berliner Bürgerinitiative Grundeinkommen. Hartz IV-Empfänger würden häufig verächtlich angeschaut: „Es wird vermittelt, dass man selbst schuld sei. Wer fühlt sich dann wertvoll genug, sich aktiv in dieser Gesellschaft zu engagieren?“, fragt Diana Huber. Viele Betroffene würden sich isolieren, ihre finanzielle Situation am liebsten verschweigen. „Scham lähmt viele Menschen.“

Beim Bedingungs Grundeinkommen (BGE) geht es ihr nicht um ein schönes, neues, soziales Wohlgefühl, sondern die sozialen Einsparungen und schlechtere Arbeitsverhältnisse in der Wirtschaft. „Die Leute wachen langsam auf. Sie sehen, dass es nicht mehr so weitergehen kann wie bisher.“ Dabei geht es Huber nicht darum, überhaupt einen Job zu haben. Es würde häufig verschwiegen, dass viele Menschen von ihrer Arbeit nicht mehr leben können. Die müssten „als Aufstocker beim Amt auflaufen“, sagt sie.
Huber versucht, Bedenken bei Arbeitnehmern zu entkräften. Zum Beispiel Sozialleistungen als „gestrichen“ zu sehen, obwohl ein lebenslanges Grundeinkommen solche Zahlungen (bis zu 1.000 Euro) ja ersetzen und damit vereinfachen soll. Zudem seien die Anreize, einen „richtigen“, sozialversicherungspflichtigen Job zu bekommen, äußerst gering: „Wer heute auf Hartz IV ist, hat kaum eine Chance, dort wieder rauszukommen. Wer dazuverdient, bekommt Abzüge mit hohem bürokratischem Aufwand“, bemängelt Huber. Das BGE gäbe dagegen auch eine Basis, sich ehrenamtlich für andere einzusetzen.
Das Menschen mit BGE ihre Arbeitszeit drastisch reduzieren würden, hält Huber für eine wunderbare Idee: „Tun wir doch nicht so, als hätten wir ein Überangebot an Arbeitsstellen!“ Selbst wenn alle Stellenausschreibungen besetzt seien, wären noch Millionen Menschen ohne Job, rechnet sich Diana Huber aus. Die Produktivität sei heute so hoch wie nie. Mit immer weniger Menschen hinter dem PC. Bei Dienstleistungen könnten neue Jobs entstehen.
Mit wegfallenden Lohnnebenkosten durchs BGE sei das möglich. „Das birgt ein großes kreatives Potential, was Mehrwert schafft“, sagt sie. Die Statistik der Arbeitslosigkeit hält Diana Huber ohnehin für „massiv verfälscht“. Denn wer länger krankgeschrieben ist, sich mit Ein-Euro-Jobs über Wasser hält, eine Weiterbildung in Angriff nimmt oder sich selbstständig macht, wird nicht mitgezählt. Zudem hält Huber die „Angst vor Hartz IV“ für absichtlich geschürt, „damit Arbeitgeber ihre Angestellten besser ausbeuten können“.
Recht auf Faulheit?
Professor Gerd Habermann ist Direktor des Instituts der Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer. In einem „Berliner Brief“ kritisiert er die Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens.
„Erstaunlich, welche exotischen Blüten aus dem Sumpfboden unseres Wohlfahrtsstaates wuchern“, sagt Gerd Habermann über das im BGE enthaltene „Recht auf Faulheit“. Das BGE definiert der Wirtschaftsphilosoph so: Ein allen Menschen, vom Säugling bis zum Greis individuell zustehendes, staatlich garantiertes Einkommen. Das BGE soll Armut verhindern und persönliche Entfaltung ermöglichen. Gängige Prüfungen der Ämter auf Bedürftigkeit sowie die generelle Verpflichtung zur Arbeit sollen wegfallen. Weitere Einkommen sollen „anrechnungsfrei“ möglich sein, ohne vom Staat für Mehrarbeit mit höheren Steuersätzen zur Kasse gebeten zu werden. So weit, so gut.
Mit der Idee eines BGE würden die Vorschläge „sozialistischer Utopien“ übertroffen, die stets eine staatlich gewährte Versorgungsgarantie des Bürgers mit seiner Arbeitspflicht verknüpfen. Dass das BGE mit dem durchaus christlichen Argument der „Menschenwürde“ durchgesetzt werden soll, hält der Katholik Habermann für unverständlich. Sollte es unwürdig sein, zwecks Selbsterhaltung fürs tägliche Brot nun mal arbeiten zu müssen? Doch einen Staat, in dem alle per Sozialhilfe auf Kosten aller anderen leben können, hält Habermann für völlig ungerecht.
Die Effekte der BGE-Idee sind für ihn klar: Sinken der Arbeitsmotivation, besonders bei schlechter Verdienenden, Verknappen des Arbeitsangebotes und Ausbreiten einer „innovationsfeindlichen Rentnermentalität“, prophezeit Gerd Habermann. Die von BGE-Befürwortern angedachte Besteuerung würde extrem hoch sein und besonders Reiche treffen, die ja auch arbeiten. Ist es tatsächlich unwürdig, sich selbst aus eigener Initiative erhalten zu müssen? Dass uns die Arbeit niemals ausgeht, zeigen Länder mit so genannter Vollbeschäftigung von der Schweiz bis Neuseeland. Zudem habe sich die Zahl der Arbeitsplätze durch umwälzendes Technisieren vermehrt. So entgegnet Habermann den Einschätzungen der BGE-Initiative: „Die Erfindung der Eisenbahn schuf mehr Arbeitsplätze, als sie im Kutschenbereich vernichtete.“ Ebenso sei das heute in der IT-Industrie. Kapitalflucht hält der Wirtschaftsprofessor trotz diverser Argumente von Sozialverbänden für wahrscheinlich. Deutschland würde damit innerhalb Europas zum „Idealland der Sozialeinwanderung“.
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