Seit Datenträger mit Angaben zu Konten von Deutschen bei Schweizer Banken der deutschen Bundesregierung zum Kauf angeboten worden sind, spaltet eine Frage die Gesellschaft: Darf der Staat diese Daten kaufen und macht er sich damit zum Hehler? Oder muss er die Daten sogar kaufen, um Steuerstraftaten aufzuklären? Bei dem Versuch diese Frage zu beantworten, geht es in erster Linie um juristische Fragestellungen. Im zweiten Schritt stellt sich aber auch die Frage: Wie weit darf ein Staat gehen und darf er seine eigenen Regeln überschreiben?
Überschreitet der Staat manchmal seine eigenen Grenzen?
Bei der Verbrechensbekämpfung ist es keine Seltenheit, dass der Staat mit Kriminellen zusammenarbeitet. So gibt es verdeckte Ermittler, die im Rechtsextremen Milieu oder in der Drogenszene ermitteln. Dabei kann es auch dazu kommen, dass die Ermittler Straftaten begehen müssen, damit ihre Tarnung nicht auffliegt. Dabei ist das Ziel immer, dass am Ende Verbrecher Ihrer Tat überführt werden sollen. Der Einsatz dieser verdeckten Ermittler ist durch Gesetzte klar geregelt. Die Entscheidungswege, wann verdeckte Ermittler eingesetzt werden und was sie tun dürfen, sind also nicht dem Zufall überlassen. Dadurch sind die Straftaten, die sie bei Ihrer Arbeit begehen, auch keine Überschreitungen von gesetzlichen Regeln, sondern bewegen sich innerhalb der gesetzlichen Vorgaben.
Lassen sich solche Ermittlungsmethoden, wie etwa bei der Drogenfahndung, auf den Steuerfall übertragen?
Diese Praktiken lassen sich auch auf den aktuellen Steuerfall übertragen, sagen einige Experten. Wenn der Staat über seine Ermittler Drogendealer dazu anstiftet, Drogen zu beschaffen, um ihn so seiner Tat zu überführen, warum sollte der Staat nicht auch eine Daten-CD kaufen um Steuerstraftaten aufzuklären?
Andere Juristen vertreten die Auffassung, der Datenkauf lasse sich damit nicht vergleichen. Denn hier, so kritisieren sie, gebe es keine rechtliche Grundlage. Ein Staat, der Straftaten dadurch bekämpft, das er selbst Straftaten begeht, würde seine Glaubwürdigkeit verlieren. Deshalb ist es auch so wichtig, wie der Fall der Daten-CD’s bewertet wird.
Der Staat sollte seine Grenzen nicht überschreiten. Die Frage ist allerdings, wo Grenzen liegen. Dies wird schnell zu einer politische und einer moralische Bewertung.
Wir der Staat bei einem Kauf zum Hehler?
Hehlerei gibt es in Deutschland laut dem Paragraphen 259 im Strafgesetzbuch nur für „fremde körperliche Sachen.“ Bei Daten handelt es sich aber um „unkörperliche“ Sachen. Der Vorwurf der Hehlerei würde also juristisch betrachtet nur die CD, nicht aber die auf ihr gespeicherten Daten betreffen. Da es aber um genau diese Daten geht, greift das Strafgesetzbuch, das vor 139 Jahren in Kraft trat, zu kurz und müsste eigentlich erweitert werden. So wie etwa der Paragraph 303, der das Thema Sachbeschädigung behandelt. Hier wurde ein Paragraph 303a ergänzt, der Sachbeschädigung auch auf gelöschte oder unbrauchbar gemachte Daten bezieht.
Dürften die gekauften Daten in Gerichtsprozessen als Beweismittel verwendet werden?
In Deutschland gibt es das Beweisverwertungsverbot. Wenn ein Beweismittel durch eine Straftat gewonnen wurde, darf es vor Gericht nicht verwendet werden. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshof gilt diese Verwertungsverbot nur, wenn sich der Staat unredlich verhalten hätte, beispielsweise, indem er gezielt zum Datendiebstahl angestiftet hätte. In dem aktuellen Fall macht sich der Staat aber nur das Ergebnis eines autonom begangenen Diebstahls zu nutze. Damit dürften die Daten vor Gericht als Beweis anerkannt werden.
Kann man Daten stehlen?
Nein, sagen Juristen. Daten kann man nicht in dem Sinne stehlen, wie man etwa ein Autoradio stielt. Und was nicht gestohlen ist, so der Schluss, kann auch nicht gehehlt werden. Der Staat würde sich beim Kauf der Daten auch nicht mehr an einer Straftat beteiligen. Denn rechtlich gesehen ist die Straftat, die Erhebung der Daten, bereits abgeschlossen wenn der Kauf stattfindet. An einem abgeschlossenen Vorgang kann sich logischerweise auch niemand mehr beteiligen.
Wie beurteilt das Deutsche Finanzministerium die rechtlichen Rahmenbedingungen?
Das Bundesfinanzministerium hat die steuerrechtlichen und strafrechtlichen Fragen geprüft. „Nach dem Ergebnis dieser Prüfung machen sich die handelnden Amtsträger nicht strafbar und die angekauften Beweismittel sind im Besteuerungsverfahren und im Strafverfahren verwertbar.“ Daher sei der Kauf nicht nur zulässig, sondern auch geboten, um eine gleichmäßige Besteuerung zu ermöglichen, heißt es aus dem Finanzministerium.