Journalisten fehlen oft die Worte. Foto: Patrick Stößer/www.realfragment.de
Journalisten fehlen oft die Worte. Foto: Patrick Stößer/www.realfragment.de

Ohne Worte

„Worte sind wertvoll“ – dieses Motto hatte der Arbeitskampf von Journalisten bei Tageszeitungen, die im vergangenen Jahr zwischen Februar und August gegen die Tarifwünsche von Verlegern gestreikt haben. Viele Worte wurden über den Streik nicht geschrieben und die Leser konnten ihre Zeitung täglich aus dem Briefkasten oder vom Kiosk holen. „Das eine komplette Ausgabe nicht erschienen ist, das hat es seit Anfang der 1990er Jahre nicht mehr gegeben“ sagt Ulrike Maercks-Franzen, die Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalisten Union (dju) in der Gewerkschaft Verdi gewesen ist und nun ehrenamtlich tätig ist. Ein Streik von Journalisten wird in der Öffentlichkeit weniger wahrgenommen, als wenn Flugzeuge nicht starten oder Kindergärten geschlossen bleiben.

Dafür gibt es ganz viele Gründe: „Journalisten, die streiken, können auch nicht darüber berichten“, erklärt Ulrike Maercks-Franzen, „Und die Verleger haben auch kein echtes Interesse an der Berichterstattung.“ Denn Verleger und Redakteure sind im Arbeitskampf nicht unparteiisch. Ein Mal hat die „Neue Westfälische“ aus Nordrhein-Westfalen über den Streik berichtet, obwohl die Journalisten der Zeitung an mehr als dreißig Tagen die Arbeit niederlegten. „Mich hat enttäuscht, dass andere Medien wie Nachrichtenagenturen und der WDR, die nicht am Arbeitskampf beteiligt waren, nur sehr zurückhaltend berichtet haben“, erzählt Corinna Lass, die Redakteurin bei der Neuen Westfälischen ist und mitgestreikt hat.

Journalisten fehlen oft die Worte. Foto: Patrick Stößer/www.realfragment.de
Journalisten fehlen oft die Worte. Foto: Patrick Stößer/www.realfragment.de

Wenn Journalisten ihre Arbeit niederlegen, kann eine Zeitung trotzdem mit Worten gefüllt werden, weil Nachrichtenagenturen und Public Relations Abteilungen ihre Texte in die Redaktionen schicken. „Kurzfristig kann eine Zeitung heute mit einer handvoll Leuten gefüllt werden“, weiss Ulrike Maercks-Franzen. Diese handvoll Leute gibt es in nahezu allen Redaktionen, weil immer mehr Journalisten in prekären Arbeitsverhältnissen stecken: Sie sind Leiharbeiter, Pauschalisten oder freie Mitarbeiter, so dass sie ihren streikenden Kollegen als unfreiwillige„Streikbrecher“ in den Rücken fallen. Auch wenn die Zeitungen nicht sichtbar auf Worte verzichten, macht sich ein Streik der Journalisten nach einer längeren Zeit dennoch bemerkbar: „Es sind weniger Seiten erschienen und die Qualität der Artikel hat nachgelassen. Das haben auch die Leser gemerkt und sie waren teilweise genervt“ berichtet Corinna Lass von der Neuen Westfälischen.

Über 100 Redaktionen haben sich am mit Streiks an den Tarifverhandlungen im vergangenen Jahr beteiligt. „Streikende Journalisten können nicht so einen großen ökonomischen Druck ausüben, sondern eher eine moralischen Druck“, meint Ulrike Maercks-Franzen. Zudem ist nur ein kleiner Teil der arbeitenden Journalisten auch festangestellt. Die Gewerkschaften DJU und DJV vertreten bei Tarifverhandlungen nur noch 15000 Redakteure. „Früher waren es wesentlich mehr“, bedauert Ulrike Maercks-Franzen.

Während der Tarifverhandlungen im vergangenen Jahr haben über 2000 Journalisten gestreikt, weil sie mehr arbeiten, aber weniger Geld bekommen sollten. Vor allem zukünftige Journalisten hätten insgesamt ein Viertel weniger verdient. „Journalisten fühlen sich zwar immer ihren Leser verbunden, wollen aber auch nicht, dass ihr Beruf so massiv entwertet wird“, erklärt Ulrike Maercks-Franzen. Schließlich haben sich Verleger und Gewerkschaften auf einen unveränderten Manteltarifvertrag und eine minimale Gehaltserhöhung geeinigt, die unter der Inflation liegt. Zu diesen Bedingungen füllen die Redaktuere bis Mitte 2013 die Zeitungen mit, dann stehen die nächsten Tarifverhandlungen an.

Dieser Artikel erschien in der ersten Printausgabe von Debatare.

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