Mehr als 60 Jahre Clinch, Feindschaft, Funkstille – Amerika und Kuba hatten sich lange nichts zu sagen. Obama ist der erste amerikanische Präsident seit 1928, der einen Fuß auf die Castro-Insel setzt. „Historisch“ titeln die Zeitungen unisono weltweit. Aber was sagt der einfache Kubaner zu der Annäherung? Ein Gespräch mit der 28-jährigen Kubanerin Rosa Marie Gonzalez. Sie lebt in Havanna und hat dort an der Uni Literatur und Fotografie studiert.
Jahrelang sind die USA und Kuba sich aus dem Weg gegangen. Vor gut einem Jahr dann die politische Sensation: Obama will mit dem Castro-Regime reden, sich annähern. Was hat sich seitdem in Deinem Leben getan?
Naja, nicht wirklich viel. Verändert oder verbessert hat sich in meinem Leben gar nichts. Das sehen auch meine Freunde und die Leute aus meinem Viertel so. Die Annäherung wird im Schneckentempo voranschreiten. Von schnellen Reformen träumt hier niemand. Langfristig haben wir die Hoffnung nicht aufgegeben.
Was sind das denn für Hoffnungen, die jetzt viele Kubaner haben?
Viele erwarten, dass die Amerikaner kommen – und Geld ins Land bringen, etwa durch Investitionen oder als Touristen. Das würde dem Land und der maroden Wirtschaft sicherlich gut tun. Viele wollen auch nach Amerika. Sie hoffen, dass die Gespräche zwischen Castro und Obama dazu führen, dass sie einfacher an ein Visum für die Einreise in die Staaten bekommen. Mich würde das freuen, weil ich weg will.
Warum?
Wie viele meiner Freunde habe ich die Universität besucht. Aber hier auf Kuba ist es selbst mit einer guten Ausbildung schwierig für sein Auskommen zu sorgen. Der Arbeitsmarkt ist ein Chaos. Wie kann es denn sein, dass eine Kellnerin genau so viel verdient wie ein Arzt? Das ist doch ein schlechter Witz. Genauso schlecht ist es um die politischen Rechte der Bevölkerung bestellt.
Was meinst Du damit konkret?
Es geht natürlich um Freiheit. Freiheit ist für uns Kubaner eine Schimäre. Meine Generation kann mit diesem Begriff nichts anfangen, weil wir Freiheit nicht kennen. Meinungsfreiheit? Pressefreiheit? Fehlanzeige.
Obama will mit Castro auch über die Freiheitsrechte der kubanischen Bevölkerung reden. Meinst Du, das bringt etwas?
Ich bin mir da nicht sicher. Letztlich muss man ja sagen, dass wir gefangen sind im ideologischen Gemäuer der Castros. Das muss eingerissen werden. Ob Obama das schafft, da bin ich sehr skeptisch. Wenn dann funktioniert das nur mit Anreizen…
Also dass Obama sagt, das Handelsembargo wird gelockert, allerdings unter Auflagen?
Genau darum wird es gehen. Nur weil jetzt ein US-Präsident kommt, heißt das noch lange nicht, dass in der politischen Führung ein Umdenken stattfindet. Es muss Druck gemacht werden. Die Politik auf Kuba hat sich nämlich von dem einfachen Bürger abgekapselt.
Wenn jetzt amerikanische Touristen, Immobilienmakler und Investoren kommen, verliert Kuba dann nicht seine Einzigartigkeit?
Ich wünsche mir natürlich, dass die kubanische Kultur und unsere Lebensgefühl die anstehenden Veränderungen überleben. Aber warum sollte das nicht klappen? Unsere Kultur ist mehr als kaputte Oldtimers und ein verquerer Kommunismus. Ich glaube, das Wichtigste ist, dass die Leute sich auf Kuba entfalten können. Und da werden wir auf kurz oder lang an einer Marktwirtschaft nicht vorbeikommen.
Können die Kubaner überhaupt so etwas wie Marktwirtschaft oder Kapitalismus?
Wir werden damit umgehen müssen, weil unser politisches System nicht mehr zeitgemäß ist. Wir sollten uns am Westen orientieren. Das heißt nicht, dass wir alles eins zu eins übernehmen müssen. Aber wir brauchen Licht am Ende des dunklen Kommunismus-Tunnel. Nichtsdestotrotz: Wir sollten die guten Aspekte der jetzigen Situation versuchen zu konservieren. Ich denke da beispielsweise an unser Bildungssystem. Alles, was Nachteile bringt, sollten wir ersetzen.
Obama ist noch ein gutes halbes Jahr im Amt. Wie wird es weitergehen?
Das weiß ich nicht. Aber ich, meine Generation und viele Kubaner hoffen sehr darauf, dass sich Kuba verändert. Es muss sich etwas verändern. Dafür brauchen wir die Amerikaner.