Eigentlich passen sie doch ganz gut zusammen, die Zuwanderer und die CDU: Zumindest in ihrem Heimatland wählen viele von ihnen eher konservativ. Jetzt müssen Partei und Zielgruppe nur noch zueinander finden. Um diese Zusammenführung kümmert sich Bülent Arslan, Vorsitzender des Deutsch-Türkischen Forums in Nordrhein-Westfalen und seit kurzem auch Leiter des neu gegründeten, parteiinternen Netzwerks Integration. „In den Großstädten liegt die Migrantenquote bei den Unter-18-Jährigen bei fast 50 Prozent. Wir schaffen es bisher allerdings noch nicht, sie anzusprechen“, sagt der 37-jährige türkischstämmige Deutsche. Arbeitsmarkt, Bildung, Familienpolitik – das sind die „Querschnittsthemen“, denen er sich annehmen möchte. Aber auch Klassiker wie Sprachunterricht, Ausländerrecht und Staatsangehörigkeitsfragen stünden auf der Agenda.
Die CDU hat die Migranten für sich entdeckt
In den deutschen Ballungsräumen geht der Anteil der CDU-Wähler seit Jahren drastisch zurück. Im kommenden Jahr regieren nur noch in drei der 20 Städte mit mehr als 300.000 Einwohnern Bürgermeister der Union. Gleichzeitig waren bei der Bundestagswahl 2009 rund 5,6 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund wahlberechtigt – der CDU gaben nur wenige ihre Stimme. Dass die Mehrheiten in den Metropolen schwinden, liegt nicht zuletzt am Thema Zuwanderung. So sagte Hamburgs ehemaliger Bürgermeister Ole von Beust kürzlich dem Magazin stern, dass die Grundhaltung seiner Partei eben nicht Offenheit, Respekt, Interesse und Anteilnahme für andere sei, sondern sich eher durch Vorsicht, Abwehr und teilweises Misstrauen charakterisiere.
Genau das will Bülent Arslan ändern und wichtige Inte-grationsthemen in der Partei vorantreiben. „Als Volkspartei müssen wir Veränderungen in der Gesellschaft aufgreifen, auch wenn das vielleicht für Menschen, die ein anderes Zukunftsbild von ihrem Land und ihrer Partei haben, nicht ganz einfach ist.“ Vorbei also die Zeit der Parolen wie „Kinder statt Inder“, vergangen die Zeit der Proteste gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Für die CDU gibt es laut Arslan auch schlichtweg keine andere Option. „Wenn wir in Zukunft querbeet in Deutschland, also auch in Industrieregionen und Großstädten, erfolgreich sein wollen, müssen wir uns dieser Zielgruppe stärker öffnen.“
Dieses Vorhaben sowie die Tatsache, dass sich beim Bundesparteitag vier CDU-Mitglieder mit Migrationshintergrund für Führungsgremien beworben haben, begrüßt auch Kenan Kolat, Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde Deutschlands. „Das ist eine konsequente Entscheidung, aber man muss natürlich erst abwarten, wie die Politik das umsetzt“, sagt Kolat. „Es geht nicht um Personen, sondern um Ergebnisse.“ Ihm sind vor allem drei Themen wichtig – die zunehmende Teilhabe von Migranten, der Kampf gegen Rassismus und der EU-Beitritt der Türkei. Bei letzterem müsse die CDU ihre Meinung noch einmal überdenken. Migranten hätten als CDU-Wähler durchaus Potential: „In der Diaspora wählen Türken eher linke Parteien. In der Türkei wählen sie vor allem konservative Gruppierungen – denn sie sind tendenziell eher konservativ.“
Viele Gemeinsamkeiten
Auch Bülent Arslan sieht Gemeinsamkeiten mit der CDU. „Viele Migranten sind gläubig, ob nun christlich oder muslimisch. Sie finden es attraktiv, dass sich die Partei auf religiöse Werte stützt.“ Die Bilanz der Bundesregierung sei in Sachen Integration „absolut glänzend“ – durch das von Angela Merkel ins Leben gerufene Integrationsministerium und den Integrationsgipfel würden sich auch zivilgesellschaftliche Organisationen viel intensiver mit dem Thema befassen.
Das muss jetzt nur noch bei den Migranten selbst ankommen. Deutschland soll laut Arslan ein attraktives Zielland werden, denn „wir werden wieder in eine Situation kommen, wo wir wegen des Fachkräftemangels aktiv Arbeitskräfte aus dem Ausland anwerben müssen.“ So einfach wie in den 1950er und 1960er Jahren werde das jedoch nicht mehr.