Foto: Julia Kneuse.

Metall in Motion

Mit winzigen Computer riesige Maschinen steuern – immer und überall. Ein Aspekt der Industrie 4.0, die demnächst die Produktionsprozesse prägen soll. Ein Schlagwort oder eine neue Revolution?  

Mehrere Tonnen Stahl mit dem Smartphone bewegen – das geht in Zukunft. Der Industriemechaniker sitzt in der Sonne auf dem Balkon und tippt auf seinem Smartphone den Befehl „Produktion fortsetzen“ ein und sendet diesen direkt an eine tonnenschwere Presse. Zuvor wurde er per E-Mail über ein Problem mit der Maschine benachrichtigt und löste es von zu Hause aus. Arbeiten jederzeit und überall?  Dieses und andere Szenarien sollen all-mählich in die Produktion als sogenannte Industrie 4.0 einziehen.

Apps für Werkzeuge

Erste Schritte auf dem Weg dahin werden auf der EMO Hannover vorgestellt. Eine App für die Werkzeugverwaltung soll die Inventur erleichtern. Damit können Bohrer und Co durch einen aufgeklebten Barcode mittels Handykamera ausgelesen und in die Datenbank integriert werden. Somit ist der aktuelle Standort der Werkzeuge stets und überall abrufbar. Jedoch sollen die traditionellen Barcodes, populär aus dem Supermarkt, künftig durch die Radio Frequency Identification-Technik (RFID) abgelöst werden. Dadurch könnten die Werkzeuge auch ohne Sichtkontakt geortet werden. Die neusten Smartphones haben bereits ein RFID-Lesegerät integriert, mittels der Verbindungsfunktion NFC und einer App können so RFID-Chips ausgelesen werden.

Industrielle Historie

Der Name Industrie 4.0 deutet an, wie Produktionsprozesse künftig ablaufen könnten. Angelehnt an die Benennung neuer Software-versionen mit fortlaufenden Nummern erinnert dieser Ausdruck auch an den Begriff Web 2.0. Begonnen hat alles ungefähr 1780 mit dem ersten großen Umbruch, damals wurden Wasser- und Dampfkraft genutzt, um die ersten Maschinen, wie beispielsweise Webstühle, mittels Wassermühlen zu betreiben. Als rund 100 Jahre später der Strom entdeckt und nutzbar gemacht wurde, stand die zweite industrielle Revolution ins Haus. Durch Glühbirnen konnte das erste Mal bei Dämmerung und Dunkelheit gearbeitet werden. 1969 wurde dann die erste speicherprogrammierbare Steuerung erfunden. Hiermit fand die Programmierung und Informatik Einzug in die Industrie.

Mehr Technologie kommt, Personal bleibt

In Zukunft sollen für die Industrie 4.0 alle Maschinen in den Fertigungshallen vernetzt werden im „Internet der Dinge und Dienste“. Läuft beispielsweise eine Maschine leer und eine andere ist auftragsmäßig überlastet, können sie die Arbeitsaufgaben sinnvoll aufteilen, ohne dass menschliches Eingreifen erforderlich wird. Von der Smartphone App über das Internet können Prozesse mittels Sensoren überwacht und per „Klick“ beeinflusst werden. Industrieroboter führen die Befehle aus und bewegen so tonnenschwere Metallteile von der Blechpresse bis zur Lackiermaschine. Wichtig ist, dass die Menschen, also die unmittelbaren Maschinenbediener weiterhin das System kontrollieren. „Die Beschäftigten werden ganz bewusst als Erfahrungsträger und Entscheider in alle relevanten Abläufe integriert“, erläutert Dr. Klaus Mittelbach vom Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation in einer Studie zur Industrie 4.0. Jedoch sollen die einfachen manuellen Tätigkeiten maschinell erledigt werden. Hierzu sagt Prof. Siegfried Russwurm, CEO des Siemens Industry Sector: „Alles, was am PC  algorithmiert werden kann, kann eine Maschine besser als ich.“

Die Frage nach der Sicherheit

Doch ist es wirklich sicher, eine Maschine von zu Hause aus zu steuern? Laut Andreas Fesl, Ingenieur im Technischen Verkauf von Heidenhain, ist das Steuern über eine gesicherte Internetverbindung mittels mobiler Endgeräte technisch möglich. Ist das erstrebenswert? Dr. Heinz Bedenbender, technisch-wissenschaftlicher Mitarbeiter beim „Verein Deutscher Ingenieure“, meint: „Nein, in sicherheitskritischen Umgebungen wie beispielsweise der Chemieindustrie würde ich dies tunlichst vermeiden.“ Ein Eingreifen durch Unbefugte hätte fatale Folgen für das Unternehmen, die Mitarbeiter und die Umwelt. Um das Problem zu lösen, bleibt noch ein wenig Zeit. Die Industrie 4.0 wird nach Branchenmeinung erst in etwa 20 Jahren in die Industriehallen einziehen.

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