Bei der CDU in Baden-Württemberg wird es leer.

Von Selbstbewusstsein und Selbstgerechtigkeit

Die CDU im Südwesten gibt aktuell ein tristes Bild ab. Die Parteispitze um Landeschef Thomas Strobl fährt einen Modernisierungskurs, will weiterhin ein konservatives Wählerklientel bedienen und dabei offener und diskussionsfreudiger werden. Das muss kein Widerspruch sein – ist aber im Alltag schwer umzusetzen. „Wir brauchen ein neues Denken in bestimmten Politikbereichen“, fordert der Vorsitzende.

Der Abstieg der Landespartei ist untrennbar mit dem Aufstieg der Grünen verbunden. Bei der Landtagswahl im vergangenen Jahr waren ungewöhnlich viele Wähler, rund 87.000, von den Christdemokraten ins grüne Lager gewechselt. Der Politikwissenschaftler Daniel Buhr von der Universität Tübingen sieht die CDU im Südwesten nach wie vor als Volkspartei, sie hat für ihn das mit Abstand größte Wählerpotential. Das ist die gute Nachricht für die Partei. „Aber der Trend ist der dramatische Befund“, sagt Buhr.

Strobl auf Frauensuche

Bei der CDU in Baden-Württemberg wird es leer.
Bei der CDU in Baden-Württemberg wird es leer.

Das weiß auch Strobl – und er hat ein weiteres Manko ausgemacht. Gerade Wählerinnen haben der CDU den Rücken gekehrt. Als Folge hat der Landesverband das Jahr 2012 zum „Jahr der Frau in Baden-Württemberg“ ausgerufen. Die entsprechende Facebookseite zählt aber gerade mal 82 Unterstützer. Eine Erkenntnis der Kampagne ist, dass Frauen in der Wirtschaftspolitik den Grünen die meiste Kompetenz zuschreiben, klassische weibliche Themen sind von der CDU kaum besetzt. Man werde die Kampagne im nächsten Jahr fortsetzen, lässt Strobl lediglich wissen. „Wir dürfen uns auch nicht anbiedern, politische Erwartungen sind bei Männern und Frauen oft nah beieinander“, erklärt Thomas Bareiß, einflussreicher Bezirksvorsitzender in Württemberg-Hohenzollern. Derweil hat Insa Bix, Stadträtin im Landkreis Sigmaringen, vom proklamierten „Jahr der Frau“ an der Basis überhaupt nichts mitbekommen. Vorläufiges Fazit: Das Problem ist erkannt, die Lösung aber höchstens skizziert.

Nach der Wahlniederlage im vergangenen Jahr war mit Stefan Mappus der Hauptschuldige schnell gefunden und entmachtet. Der Grüne Winfried Kretschmann hat seitdem als Ministerpräsident hohe Zustimmungswerte. Personelle Querelen wie die Absetzung des Landtagspräsidenten Willi Stächele, dem der Staatsgerichtshof in der EnBW-Affäre einen Verfassungsbruch bescheinigt hatte, ließen die CDU-Landespartei lange nicht zur Ruhe kommen. Nach und nach gingen den Christdemokraten die OB-Posten in den Großstädten verloren, im Oktober Stuttgart, im Dezember Karlsruhe.

Der Abwärtstrend will einfach nicht aufhören. Für Politikwissenschaftler Daniel Buhr ist das ein Stück weit selbst verschuldet. „Die aktuelle Debatte um das Ehegattensplitting bei der Homo-Ehe macht die Partei für eine moderne Wählerschaft in den großen Städten nicht attraktiver“, sagt er. Geht es nach Kommunalpolitikerin Insa Bix, muss sich die Partei ohnehin mehr um ländliche Gegenden kümmern. Und Parteichef Strobl will beides: Auf dem Land stark bleiben, in den Städten erstarken. Ist Austauschbarkeit der Preis dafür, flexiblere Positionen, Merkelscher Pragmatismus? „Beliebig dürfen wir auf keinen Fall werden“, sagt wiederum der Konservative Bareiß.

Viel Bemühen – wenig Ertrag

Vielleicht hat er das Strategiepapier, das Thomas Strobl vor seiner Wahl im vergangenen Jahr vorgelegt hat, schon vergessen. Demut statt Arroganz wollte der seiner Partei verordnen, einen neuen Politikstil etablieren. Die Rhetorik ähnelte dabei verblüffend der des grünen Wahlgewinners Kretschmann. Außerdem will Strobl neue Kommunikationswege, etwa Facebook und Twitter, nutzen, mit deren Hilfe Inhalte verständlicher und weniger floskelhaft vermittelt werden sollen. Alles schon einmal gehört. „Wir haben kein klares, prägnantes und emotional vermittelbares Profil“, befand der Landesvorsitzende vor eineinhalb Jahren.

Wer sollte ein solches überhaupt vermitteln? Zu einer Volkspartei gehört auch ein breit aufgestelltes Personal, das an der Basis wirkt, Bürgernähe zeigt, Hände schüttelt. Strobl und Hauk sind umtriebig und bemüht, bleiben bisher aber ohne wirkliche Erfolge  – dabei bietet Grün-Rot etwa in der Bildungspolitik durchaus Angriffsflächen. Eine bundespolitische Größe wie Annette Schavan findet seit ihrer Niederlage gegen Günther Oettinger im Kampf um die Teufel-Nachfolge vor sieben Jahren landespolitisch nahezu nicht statt. Dasselbe gilt für die Staatssekretärin im Gesundheitsministerium und ehemalige gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, Annette Widmann-Mauz, die es sich in der zweiten Reihe gemütlich gemacht hat. EU-Energiekommissar Oettinger ist Baden-Württemberg zwar immer noch sehr verbunden, die Niederungen der Landespolitik meidet er aber. Tanja Gönner, einstige Hoffnungsträgerin, ist mittlerweile Chefin der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit. Und auch der politische Nachwuchs gibt nur bedingt Grund zur Hoffnung – abgesehen vielleicht von Thorsten Frei, der in Donau-Eschingen mit 99,2 Prozent zum Bürgermeister gewählt worden ist. Der 39-Jährige hat sich als Direktkandidat gegen Sigfried Kauder durchgesetzt, seine Zukunft dürfte aber eher in Berlin als in Stuttgart liegen. Thomas Bareiß ist als Bundestagsabgeordneter auch meistens in Berlin anzutreffen.

Strobls Strategiepapier war die finale Abkehr von der Mappus-CDU. Von der „Baden-Württemberg-Partei“ zur „Partei für die Baden-Württemberger“ sollten die Christdemokraten werden. 58 Jahre an der Macht haben den Blick auf das Wesentliche getrübt. „Wir haben uns zu sehr als unentbehrlich für das Funktionieren des Landes gesehen“, hatte Strobl seinerzeit demütig eingestanden. Aus einer selbstbewussten Partei war zwischenzeitlich eine selbstgerechte Partei geworden. Ob er von den angestoßenen Veränderungen schon etwas spüre? Strobl nickt. Aber dass ein Gespür keine Gewissheit ist, weiß auch er.

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