Sedierung durch Verfahren

Wenn zwei sich streiten, freut sich der Schlichter

Viele Kommentare zur Stuttgarter Schlichtung zollen dem Verfahren Respekt und kritisieren das Ergebnis. Das ist nicht allein auf die sich von selbst erklärende Zufriedenheit der Bestätigten und die Akzeptanzverweigerung derer zurückzuführen, die abgewiesen wurden. Es handelt sich vielmehr um ein Phänomen, das in der Psychologie als kognitive Dissonanz bezeichnet wird.

Funktion und Agieren des wochenlang von allen Seiten gefeierten Schlichters selbst rücken nun in den Fokus der Kritik. Ist man getäuscht worden, oder hat man sich selbst getäuscht? Neutralität und sachliches Engagement zu verbinden, fällt schwer, und ohnehin lässt Neutralität sich niemals sicherstellen. Ganz abgesehen von der Person Heiner Geißlers wird man sich nun fragen müssen, ob es nicht ein schwerer programmatischer Fehler war, in einem politisch relevanten Konflikt einem Vertreter der konkurrierenden Partei Neutralität zu attestieren. Wurde nicht Geißlers zu Recht gerühmte innere Unabhängigkeit mit Parteiunabhängigkeit verwechselt? Auch und gerade als parteiinterner Rebell war er an die Parteiraison gebunden und konnte nicht die Grenze zur Illoyalität übertreten. Als ihm die Schlichterrolle angesonnen wurde, hatte er nur zwei Möglichkeiten: sich für befangen zu erklären oder die Gunst der Gelegenheit zu nutzen, eine in Kommunikationsangelegenheiten ungeschickte Landesregierung zu retten und dieser noch nebenbei vorzuführen, dass man auch in hoffnungsloser Lage die Zügel in der Hand behalten kann. So kam auch das rebellische Moment zum Zuge. „Suaviter in modo, fortiter in re“ – Weich im Ton, hart in der Sache – die Wirkungskraft so mancher Führungsdirektive aus dem 16. Jahrhundert scheint ungebrochen.

Anpassung von Erwartungen

Beachtung verdient aber auch die Erwartungsdynamik, auch die öffentlich kommunizierte, und zwar auf beiden Seiten. Das Aktionsbündnis der Gegner hatte die politischen Perspektiven durchaus realistisch eingeschätzt und – auch im Rückblick – richtig entschieden, die Chance der Medienöffentlichkeit zu nutzen – und sich parallel weitere Protestaktionen vorzubehalten.

Am Anfang schien die Skepsis auf allen Seiten zu überwiegen, dokumentiert durch den Ausstieg der Parkschützer auf der einen und kritische Bemerkungen auf Befürworterseite (die man geschickter Weise der FDP überließ) auf der anderen. Im Verlauf der Schlichtungswochen wurden die Zweifel jedoch zunehmend durch die Hoffnung auf die Kraft der besseren Argumente überlagert.

Eine Beruhigung der Gemüter kehrte ein, wenn auch der Kompromiss in der Sache weiterhin unerreichbar schien. Sachliche Argumentation und eine erträgliche Stimmung stellen einen Wert dar, der für sich selber steht – und dem Ziel etwas von seiner Bedeutung nimmt. Die Teilnehmer an einer Spaß-Umfrage des Spiegel prognostizierten zu 38,10 Prozent zutreffend: „Die Bauherren dürfen weiter bauen und die Demonstranten dürfen selbstverständlich weiter demonstrieren“, und überdies wurde die Schlichterempfehlung bereits vor dem letzten Schlichtungstag in den Medien kolportiert. Genau genommen, konnte die Erwartung jetzt doch nicht mehr auf den Inhalt gerichtet sein, sondern allenfalls noch auf die Form, die Frage nämlich, wie Geißler es wohl bewerkstelligen werde, seine Empfehlung als Ergebnis der Verhandlungen plausibel zu machen.

Mittlerweile konzentrierte sich ohnehin die öffentliche Aufmerksamkeit so auf die Person des Schlichters, dass das Ergebnis für die kurze Zeit der Verkündung nur noch beiherspielenden Charakter hatte. Zur Freude aller machte er erfahrbar, was Vertreter der Generation 80 plus – jüngst in den Medien noch als zukunftsverweigernde Fortschrittsblockierer angeprangert – zu leisten vermögen. Souverän beherrschte er technisches Detailwissen, gerierte sich zugleich als jovialer Anwalt des gesunden Menschenverstandes und erheiterte überdies mit Anekdoten und neckischen Zurechtweisungen. Seine intellektuelle und physische Konstitution, seine strategische Raffinesse und sein Humor schienen unwiderstehlich, was wiederum die Bereitschaft steigerte, Inkonsistenzen unkommentiert hinzunehmen.

Kant-Missbrauch

Doch Kant-Kundige wurden jäh aus dem wohligen Schlummer des Einverständnisses gerissen. „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“ sagt Kant, nicht „unverschuldete Unmündigkeit“, wie Geißler entstellend zitierte. Einige mögen das für eine gänzlich harmlose Fehlerinnerung gehalten haben, die bei einem so großen Zitatenvorrat schon mal unterlaufen kann. In der Philosophie aber weckt jeder schlampige Umgang mit Kant Argwohn, unversehens erinnert man sich weiterer Ungereimtheiten und wird die Frage nicht mehr los, ob dem Falschzitat wohl gar eine Funktion in einem stringent angelegten Konzept atmosphärischer Prägung zukommen sollte. Würde man selbstverschuldeter Unmündigkeit bezichtigt, fühlte man sich aufs Äußerste provoziert und verweigerte die Gefolgschaft. Wird dagegen suggeriert, durch die Leitung des Schlichters sei man aus unverschuldeter Unmündigkeit in die Aufklärung übergegangen, soll wohl die Bereitschaft mobilisiert werden, sich auch weiterhin seiner Leitung anzuvertrauen. Abgesehen davon, dass Informationsgewinn weit von dem entfernt ist, was Kant unter Aufklärung verstand, wittert doch jeder, der sich für aufgeklärt hält, hier die Methode der Sektengurus, und die Stimmung ist umgeschlagen.

Zwangloser Zwang des besseren Arguments?

Sehen wir also weiter genau hin und beginnen mit den Minimalanforderungen logischen Argumentierens: Im Verlauf der beachtlich informativen, mit Witz und Umsicht geführten Sacherörterungen arbeitete Geißler als Zwischenergebnisse heraus:

  1. K21 ist „machbar“
  2. K21 ist billiger als S21 und
  3. K21 ist „ökologischer“ als S21

Bei aller Offenheit für gelegentliche Überraschungseffekte, die man dem Profipolitiker schon ihrer Unterhaltsamkeit wegen gern zugesteht, hängt die Akzeptierbarkeit einer Schlussfolgerung nun einmal davon ab, ob sie in logisch nachvollziehbaren Zusammenhang mit den Prämissen steht. Geißlers Empfehlung „Stuttgart 21plus“ steht jedoch in keinerlei Relation zum Faktencheck, ganz zu schweigen davon, dass sie als dessen Resultat ausgegeben werden könnte. Geißler bemerkte das Fehlen des logischen Bandes ganz offenkundig selbst und suchte den Mangel durch den Hinweis zu kompensieren, dass die Rechtsverbindlichkeit bereits abgeschlossenerVerträge das Aus für den Kopfbahnhof unumgänglich mache. Die Existenz dieser Verträge war aber schon vor der als Schlichtung bezeichneten Fernsehsendung bekannt. Warum hat man sich so viel Mühe gemacht, einen Wissensstand zu erarbeiten, der schließlich allenfalls marginalen Einfluss auf die Umsetzungsempfehlung hat?

Die einen dürfen bauen, die andern dürfen demonstrieren

Gänzlich offen ist geblieben, wie der Status der Auflagen zu „Stuttgart 21 plus“ zu interpretieren sei. Sind sie als verbindlich zu erfüllen, oder gilt für sie, was für den gesamten „Schlichterspruch“ gilt: eine Empfehlung ohne rechtliche Bindungskraft zu sein. Dann könnte sich die Bahn aussuchen, ob und wenn ja zu welchen Teilen sie sich die Schlichterempfehlung zu eigen macht.

Hätte man sich hingegen verbindlich auf die Nachbesserungsliste geeinigt, wäre ein Baustopp bis zur abschließenden Klärung logisch unausweichlich gewesen. Denn eine Simulation wäre ganz überflüssig, wenn ihr Ergebnis auch ohne ihre Durchführung vorweggenommen werden könnte. An dieser – spannenden – Stelle schien sich Geißler etwas zu winden, war sein Ansehen als neutraler Schlichter doch nun aufs Äußerste herausgefordert. Der Gebrauch der indirekten Rede brachte die Lösung aus der Bredouille: Die Bahn habe gesagt, dass ein Baustopp bis zum Abschluss der Simulation nicht in Frage komme, sagte Geißler.

Die entscheidende Frage wurde an dieser Stelle gar nicht aufgeworfen: Ist diese Aussage Geißlers als Bestandteil der Schlichtungsempfehlung oder als bloße Weitergabe der Auffassung der Bahn zu werten? Deren Meinung war schon vorher hinlänglich bekannt; so hätte der Schlichter, dies nochmals zu wiederholen, den Bahnvertretern selber überlassen können. Als Bestandteil des Schlichterspruchs wiederum stünde die Aussage in krassem Widerspruch zu seinem Eröffnungscoup. Im Vorfeld der Zurechtweisung durch die Landesregierung gab er doch vor, einen Baustopp während des Schlichtungsverfahrens als selbstverständlich zu erachten.

Die kognitive Dissonanz lässt sich glätten, indem man Geißlers Übernahme der Bahnposition auf einer semantischen Zwischenebene ansiedelt – bezeichnen wir sie probeweise als rhetorische Einbettung in den Schlichterspruch. Was argumentationslogisch ruinös ist, bildet auf rhetorisch-dramaturgischer Ebene den letzten Schritt zur Unanfechtbarkeit. Wahre Autorität beugt sich weder Fakten noch Logik, sie stellt sich vielmehr gerade darin erst her, dass die Gläubigen sich unter Verzicht auf rationalen Nachvollzug unterwerfen.

Äquivokationen im Begriff der Schlichtung

Aber die Erwartungen hatten sich schon längst korrigiert. Man war ja darauf eingestellt, dass der Schlichterspruch nicht in Relation zum Faktencheck stehen könne. Schlichten kann ja auch das Beruhigen, bestenfalls sogar Beilegen eines Streits bedeuten, ohne dass eine sachliche Übereinkunft erzielt worden wäre. Dergleichen ist gelegentlich anzutreffen, wenn zumindest eine von drei Voraussetzungen erfüllt ist: 1. Der Anlass des Streits gerät einfach in Vergessenheit, weil zwischenzeitlich ein anderes Thema Dominanz gewonnen hat. (Ob dieser Punkt greift, wird sich in der Praxis der nächsten Wochen und Monate erweisen) 2. Es gelingt, jeder der beiden Streitparteien zu suggerieren, sie sei die eigentlich erfolgreiche gewesen, so dass beide sich als geheimer Sieger fühlen und nunmehr zufrieden schweigen. 3. Für Zugeständnisse einer Streitpartei lässt sich ein Ausgleich oder eine Entschädigung finden.- Die Punkte zwei und drei treten häufig in enger Verbindung miteinander auf: Erfolg kann auf verschiedene Ebenen verteilt werden: In diesem Falle durfte sich die eine Seite in ihrer Legitimität öffentlich bestätigt fühlen, die andere bekam die Legalität zugesprochen und darf weiter bauen. Mit Rücksicht auf die optische Ausgewogenheit waren freilich Nachbesserungsvorschläge entgegenzunehmen, nebst augenzwinkernder Rügen über allgemein bekannte Verlässlichkeitsdefizite des Bahnverkehrs und seelenlose Fahrkartenautomaten. Das musste sein, um mögliche Zweifel an der Neutralität des Schlichters auszuräumen und die Gewogenheit des Publikums zu sichern. Die Vertreter der Bahn wird es wenig schmerzen. Die Empfehlungen wird man nach und nach schon zu interpretieren wissen, und die Kritik an der Unpünktlichkeit, den Fahrkartenautomaten und ausfallenden Klimaanlagen ist man schon gewohnt – zumal als Monopolanbieter lässt sich damit gut leben. Das spannungsvoll inszenierte Finale war geglückt: Geißler bestätigte die Legitimität des Protests und die Legalität des Tiefbahnprojekts. Er lieh der Protestbewegung sein Ohr und der Bahn seine Autorität.

Geliehene Autorität hält jedoch selten lange vor, und mit dem Ende der Schlichtungsstaffel steht die auf Jahre angesetzte Bewährungsphase des Schlichterspruchs erst am Anfang. Wie wird die nunmehr öffentlich bestätigte Vermutung, K21 sei zwar das überlegene Konzept, für das schlechtere und teurere seien aber nun mal die Planfeststellungsverfahren weit fortgeschritten und die Verträge unterschrieben, langfristig auf die Akzeptanz derer zurückwirken, die solche mutmaßlichen Vertragsbindungen zu verantworten haben? Wie auf das politisch-soziale Klima der Stadt, in deren Mitte der kläglich verstümmelte Bahnhof und der zur Baugrube verwandelte Schlosspark nicht nur einen traurigen Anblick bieten, sondern zugleich als Symbole politischen Versagens und der Gewalt gegen die Bevölkerung stehen. Welche Überzeugungskraft können die meterhohen Reklameplakate entfalten, die Aufbruchstimmung im Angesicht des Abbruchs verbreiten sollen?

Nächste Staffel: Rechtsaufklärung

Doch soll eine weite Empfehlung – Teil des Schlichtungsspruches oder nur rhetorisch in ihn eingebettet? – nicht in Vergessenheit geraten: die Empfehlung an die Landesregierung, weitere Schlichtungs- oder Moderationsverfahren zu „Stuttgart 21 plus“ vorzusehen. Der Ministerpräsident signalisierte bereits Umsetzungsbereitschaft, so dass möglichst schnell Anregungen gesammelt werden sollten. Hierzu gleich zwei Vorschläge:

Dass die Verträge rechtsverbindlich seien, wurde bereits vor der Schlichtung behauptet und von Experten bestätigt – wird von anderen Experten aber weiterhin dementiert. Wenn die Rechtsfrage, inzwischen zum Hauptfaktor der Begründung gegen das Kopfbahnhofmodell herangezogen, offenkundig derart strittig ist, kann der Faktencheck nicht nur als nicht abgeschlossen gelten. Man wird sogar zugeben müssen, dass das zentrale Faktum der Prüfung entzogen war. Es wäre durch nichts zu rechtfertigen, einer interessierten Öffentlichkeit, die sich über sechs Wochen in technische Details konkurrierender Bahnhofsmodelle vertiefte, die Transparenz in der Klärung der Kernfrage vorzuenthalten.

Weitere beunruhigende Fragen wie solche des Umgangs mit einem Architekturdenkmal, der Zerstörung auch des Inneren der künftigen Bahnhofsruine und solche der Ästhetik des Glasbeulenmodells sind in Staffel eins noch gar nicht berührt worden. Sie dürften zumindest die Bewohner Stuttgarts interessieren, die auf Dauer mit dem Ergebnis würden leben müssen.

Noch einmal zu Kant – und dann wieder an den Bahnhof!

Angesichts der Ungereimt- und Ungeklärtheiten kehren wir noch einmal zu Kant zurück. Dort heißt es nach der oben zitierten Stelle weiter: „Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist die Unmündigkeit, wenn die Ursache nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“
Wollte der erfahrene Politiker und Schlichter Geißler das Publikum möglicherweise nicht nur beschwichtigen, sondern den Rückgang in die Unmündigkeit sogar nahelegen, indem er sie kurzerhand zur unverschuldeten transformierte? – Leute, ihr habt prima mitgespielt, auch das Publikum war bester Stimmung, mehr könnt ihr nicht erwarten, geht schön nach Hause, niemand ist schuld, alles wird gut. – Hätten das Bündnis und die Demonstranten sich damit in den dogmatischen Schlummer zurückbefördern lassen, hätten sie in der Tat den Weg der Gegenaufklärung, hinein in die selbstverschuldete Unmündigkeit, angetreten. Doch dafür dürfte sich die Protestbewegung als zu robust erwiesen haben. Wasserwerfer stärkten sie, anstatt sie zu schwächen, und der Kälteeinbruch dezimiert zwar die Zahl der Demonstrierenden, bringt aber die Demonstrationen nicht zum Erliegen. Die Stuttgarter mögen teilweise wohlhabend sein – wohlstandsverwöhnte Schönwetterdemonstranten sind sie deshalb noch lange nicht.

Geißler rechnete wohl nicht ernsthaft damit, dass diese Kalkulation aufgehen könnte. Ob nun als Prognose oder als ebenso rhetorisch in die Empfehlung eingebettete Anregung gemeint: „Die Demonstrationen werden natürlich weitergehen!“

Zukunftsmodell für die Demokratie?

Begriffe und Metaphern kommen gelegentlich weniger dann in Mode, wenn sie breite Überzeugungskraft entfalten, sondern wenn diese Kraft im Schwinden begriffen und die Sache zum Problem geworden ist. Das gilt z. B. für „Vertrauen“ und „Moral“ und ganz ähnlich für „Demokratie“ oder „Augenhöhe“. Wo Vertrauen ganz selbstverständlich besteht, wird es gerade nicht thematisiert. Umgekehrt wird es zum Gegenstand unentwegten Appells, wenn es geschwunden ist und dieser Schwund Probleme verursacht.
Auch Zukunft ist ein Begriff, der häufig bemüht wird, wenn man darüber hinwegtäuschen will, dass man sie verspielt. „Zukunft braucht Herkunft“, sagte Odo Marquard, und man wird nur hoffen können, dass die des Bonatzbaues mit der Musealisierung des Bauzaunes nicht beendet ist.

Wer die Stuttgarter Schlichtungsrunden zum Modell der Bürgerbeteiligung küren will, wird überlegen müssen, ob mit dem großen Wort, die „Zeit der Basta-Entscheidungen ist vorbei“ nicht lediglich die Zeit der „Basta-Entscheidungen-plus“ angekündigt wurde. Geißler jedenfalls scheint diese Variante auch für die Zukunft zu empfehlen: „Es geht … um ganz bestimmte Projekte, bei denen eine aufgeklärte Öffentlichkeit mitreden will. Dadurch wird nichts verhindert, aber die Prozesse werden offener, friedlicher, demokratischer und damit konsensfähig.“ (Spiegel 49 v. 6.12.10, S. 33).

Doch es sollte sich ja zunächst nur um ein Experiment handeln, das gewiss noch Entwicklungsperspektiven bietet. Für die nächste Runde – die juristische Klärung – würde sich vielleicht der Versuch lohnen, einen – neutralen – Fernsehmoderator als Leiter zu gewinnen und den Schlichterspruch durch ein Zuschauervotum (im Saal und am Bildschirm) zu ersetzen.

Es sind übrigens zahlreiche Modelle der Bürgerbeteiligung bekannt, von denen einige auch schon in Deutschland – zumeist bei kommunalen Projekten – zum Einsatz gekommen sind. Auch hier dürfte manches Anschlussfähige zu finden sein.

Einige Ergebnisse, die für die Erwartung – und Erwartungskontrolle – an künftige Schlichtungsrunden hilfreich sein können, wird man schon festhalten können:
Öffentliche Debatten sind keine idealen Diskurse. In ihnen entscheidet nicht allein die Qualität von Argumenten. Neben atmosphärischen Faktoren wie symbolischer Anerkennungsverteilung sind vor allem verfahrenstechnische Elemente zu beachten. Hierzu zählen die meist im Vorfeld zu treffende Auswahl zulässiger Themen, die Verständigung darüber, inwieweit spätere Einsichten relativierende oder revidierende Wirkung auf bereits erzielte Zwischenergebnisse haben, und nicht zuletzt die Frage, ob einem möglichen Verfahrensergebnis politische Bindungskraft zukommen soll oder lediglich eine sedierende Begleitfunktion.

Was die Zukunft der Demokratie betrifft, so wird man sie wohl wieder etwas illusionsloser sehen müssen. Doch Desillusionierung war schon immer der Preis der Aufklärung.

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