In anderen Ländern haben Fernsehdebatten vor Wahlen teilweise eine lange Tradition. Ein enger Zusammenhang besteht zwischen der Debattierkunst, die in Deutschland erst seit ein paar Jahren eine Renaissance erlebt und immer noch ein Nischendasein führt. In Amerika bilden Debatten schon seit langem den Höhepunkt eines Wahlkampfs. Die Anhänger versammeln sich wie bei einem Sportereignis und jeder rhetorische Kniff des Kandidaten wird wie ein Fußballtor gefeiert. Die Debattierregeln sind sehr streng, die Redezeit ist wie der Ablauf genau festgelegt, Zwischenrufe und Gesten sind streng verboten. Die amerikanische Lust an Rededuellen setzt sich auf allen politischen Ebenen fort. Auch bei Bürgermeisterwahlen gehören sie zum Standardprogramm jedes Kandidaten. Bill Clinton war der erste der auch Debatten zwischen Politikern und Bürgern einführte.
Wenn man die Ergebnisse der Rededuelle betrachtet konnten sie mehrere Wahlen entscheiden. Allzu ernsthafte Kandidaten unterliegen häufig Charme und lässigen Stil. So konnte sich der Schauspieler Reagan gegen Carter durchsetzten und Gore und Kerry unterlagen dem lässigen Bush-Stil, auch wenn Sie inhaltlich in der Debatte überlegen waren.
Die Redekultur in Italien ist deutlich anders geprägt. Der Präsident Berlusconi stellt sich keinem Duell mit politischen Gegnern. Er tritt in der Regel allein in einer Talkshow auf oder lässt sich von wohl gesonnenen Journalisten interviewen.
In Italien ist nicht das Zuhören wichtig, sondern das Reden. Bei Debatten reden alle Kandidaten gleichzeitig, durch das Publikum werden Sie wie im Stadion angefeuert. Der Effekt ist eine starke Emotionalisierung des Wahlkampfs.
In Frankreich spielen Fernsehduelle kaum eine Rolle mehr, Chirac zeigt sich lieber in Interviews zu Nationalfeiertagen. Bei einer Debatte zum EU-Referendum waren sämtliche Fragen vorher abgesprochen. Die letzten berühmten Duelle stammen noch aus der Zeit von Mitterand.
Auch in Großbritannien spielt die Fernsehdebatte zwischen Kandidaten kaum eine Rolle. Der Schlagabtausch findet hier im Parlament statt. Jeden Mittwoch wird die Debatte zwischen den beiden Spitzenpolitikern live übertragen. Den Höhepunkt im letzten Wahlkampf bildete ein Fernsehabend, an dem die drei Parteivorsitzenden sich für eine halbe Stunde den Fragen eines Moderators und des Publikums stellten.
Wenn sich im September Angela Merkel und Gerhard Schröder gegenüber stehen wird dieses Ereignis mit einem großen Medieninteresse einhergehen. Wie auch in Amerika kann der Amtsinhaber seine Chance nutzen und mit seinen rhetorischen Fähigkeiten inhaltliche Defizite überspielen. In der Praxis ist es aber schwer einen wirklichen „Sieger“ festzustellen, auch wenn der Versuch schon kurz nach Ende des Duells unternommen wird.
Nachtrag: Am 24.8. stellt sich der Bundeskanzler in der Sendung „Wahlarena“ von WDR und NDR Fragen aus dem Publikum. Die Moderatoren hielten sich bewusst zurück, der Kanzler nutzte die Sendung als Plattform um die Politik der Bundesregierung zu verkaufen.